Hamburg entwickelt sich zu einem Zentrum für 3-D-Technik. Sie wird unter anderem in Spielautomaten für Las Vegas und in der Medizin eingesetzt.

Hamburg. Er ist ein wenig breiter. Aber ansonsten sieht er aus wie ein durchschnittlicher Drucker. Wenn das Gerät angeschaltet wird, kommt allerdings kein Papier heraus, sondern es sind kleine und große Schuhe, Autoersatzteile wie ein Radlager im Miniformat oder sogar das Modell eines ganzen Hauses. Die Hamburger Firma Copynet Innovationsgesellschaft gehört zu den ersten Anbietern in der Stadt, die ihre Kunden mit den neuen 3-D-Druckern versorgen können. Das Unternehmen am Heidenkampsweg wurde von seinem amerikanischen Lieferanten für den Vertrieb von Flensburg bis hin nach Düsseldorf ausgewählt.

Auf den ersten Blick erscheinen die 3-D-Geräte als Spielerei. Was soll man mit Turnschuhen anfangen, die von einem Drucker produziert werden? „Sehr viel“, sagt Copynet-Chef Ralf Siebert. Der Schuh-Hersteller könnte aus zahlreichen mithilfe des 3-D-Druckers produzierten Prototypen jenen auswählen, den er er am Ende herstellen möchte. Auch Prototypen für Autoersatzteile, die aufwendig produziert werden müssen, könnten innerhalb von wenigen Stunden vom 3-D-Drucker wesentlich kostengünstiger als in Handarbeit geschaffen werden. Wo sich in gewöhnlichen Druckern das Papierfach befindet, schimmert im 3-D-Exemplar eine nahezu weiße Masse. „Das ist ein Hochleistungsverbundwerkstoff“, sagt Olaf Schröter, der für das Geschäft mit 3-D-Druckern zuständig ist. In sechs Millionen Farbnuancen könne der 3-D-Drucker seine Aufträge ausführen.

Das Gerät informiert bei Eingabe eines Auftrags auch, wie lange die Herstellung des gewünschten Artikels dauert und welche Kosten bei der Produktion anfallen. Gerade druckt er ein buntes Kugellager aus, das in seiner Form einer Tesa-Rolle ähnelt. Acht Euro Kosten pro Stück rechnet der Drucker aus. Für ein Modellhaus, das ebenfalls mit der Hilfe der 3-D-Technik entstand, berechnet die Maschine 300 bis 400 Euro. „Wir haben bereits Anfragen von Kunden“, sagt Siebert, der die Geräte verleasen will. Es werde verschiedene Finanzierungsmodelle geben. Preise nennt er nicht. „Wir bieten unseren Kunden einen Sieben-Tage-Service zu monatlichen Festpreisen an.“ Bislang hat er 58 Kundentermine im Kalender stehen, bei denen er das 3-D-Gerät und seine Leistungsvielfalt präsentiert. „Pro Kunde setzte ich zwei bis drei Stunden an, denn der Erklärungsbedarf ist groß“, so Siebert, der eine Ausbildung zum Koch absolviert hatte, danach in den Vertrieb von Kopierern einstieg und auch Vertriebschef wurde. Der Mann hat eine steile Karriere hinter sich, er war sogar als Sanierer von klammen Unternehmen erfolgreich. Im Jahr 2012 hat der 46-Jährige Copynet übernommen und will dank der 3-D-Technik mit seinen 18 Mitarbeitern weiter durchstarten.

Experten wie der US-Starökonom Jeremy Riffkin sehen 3-D-Drucker als Vorboten der nächsten industriellen Revolution. Viele Branchen wären negativ betroffen, wie etwa Modellbauer, die für Architekten und andere Kunden in Handarbeit Modelle erstellen. Auch Speditionen wären nicht mehr so stark gefragt, denn Firmen müssten keine Teile mehr auf Lager halten und verschicken, sondern sie könnten eine Datei ins Internet stellen, und der Kunde, der einen 3-D-Drucker hat, druckt sich das Produkt dann selbst zu Hause aus. „3-D-Drucker werden neue Märkte und neue Geschäftsmodelle erzeugen – die Unternehmen müssen sich überlegen, wie sie darauf reagieren wollen“, sagt Wolfgang Dorst, Experte des IT-Verbandes Bitkom. „Wenn künftig kein teurer und zeitaufwendiger Formenbau mehr nötig ist, wenn nicht mehr 1000 Stücke produziert werden müssen, um die Fixkosten zu decken, potenzieren sich die Möglichkeiten der Individualisierung“, so eine Analyse des Investor-Verlages.

Neben Copynet interessieren sich in Hamburg weitere Unternehmen für die dreidimensionale Technik. So auch die Hamburger Firma United Entertain des Unternehmers Frank Buddenhagen, der auf Monitoren dreidimensionale Werbung vermarktet und 3-D-Fernseher konzipiert, auf denen Werbespots oder Filme abgespielt werden können. Die von ihm entwickelten Fernseher will er künftig produzieren lassen und damit unter anderem Superyachten bestücken. Das Tragen einer 3-D-Brille ist bei seiner Technik nicht mehr notwendig.

Höchste Präzision ist beim 3-D-Spezialisten SeeFront notwendig, etwa wenn der Arzt ein Cochlea-Implantat ins Ohr, also eine Hörprothese, einsetzt. Noch schaut er dabei durch ein Stereomikroskop, um das Innenohr räumlich zu sehen. Zukünftig kann er das Operationsfeld auf einem 3-D-Monitor ohne 3-D-Brille betrachten. Der Münchner Medizingerätehersteller Arri Medical hat jüngst auf einem Ärztekongress den Prototypen seines digitalen Stereomikroskops zusammen mit einem Monitor von SeeFront präsentiert. „Wir sind bislang die einzigen Anbieter, die über eine Technik verfügen, die die räumliche Tiefe präzise wiedergeben kann“, sagt Unternehmenschef Christoph Großmann. Er hat den 13-Zoll-Monitor zusammen mit seinen sechs Mitarbeitern entwickelt.

Die Technik von SeeFront eignet sich allerdings nicht nur für den medizinischen Bereich, sondern für alle Anwendungen, die mit dreidimensionalen Daten arbeiten. „Auf der internationalen Ausstellung für Bildschirmtechnologien in Vancouver hatten wir großen Andrang an unserem Stand“, erzählt Großmann. „Viele europäische Autohersteller informierten sich über unsere Technik und bestellten einen Monitor zu Testzwecken. Unsere 3-D-Displays könnten ins Armaturenbrett integriert werden, das verschiedene Infos zeigt, zum Beispiel wenn der Wagen zu dicht hinter dem Fahrzeug davor fährt.“ Weitere Interessenten sind Hersteller von Spielautomaten. Hier hat SeeFront bereits seinen ersten Großkunden, die kanadische Firma Spielo International. Die Hamburger haben für das Unternehmen einen 23-Zoll-Monitor entwickelt, auf dem in 3-D Glücksspiele angeboten werden sollen. „Spielo hat bei uns bereits eine nennenswerte Zahl an Bildschirmen bestellt.“ Genauere Angaben will Großmann, dessen Firma in diesem Jahr mit dem Deutschen Innovationspreis ausgezeichnet wurde, nicht machen. Wenn man die Kasinozahl weltweit berechnet, dürfte der Bedarf aber groß sein.

An die Kanadier liefert das Hamburger Unternehmen erstmals seit der Gründung im Jahr 2006 eigene Serienprodukte. Die Produktion wird an einen Monitor-Hersteller vergeben. „Wir wollen keine Fabrik aufbauen“, sagt der Architekt, der sich bereits seit den 1990er-Jahren nebenberuflich mit dem Thema 3-D beschäftigt hat. SeeFront lebt unter anderem von Lizenzgebühren. So hat die Firma eine Lizenz an Sony vergeben, mit der auf Vaio-Notebooks 3-D-Filme ohne Brille angesehen werden können. Ein weiteres Standbein sind Kooperationen mit Unternehmen, bei denen gegen Honorar neue 3-D-Produkte entwickelt werden, die auf die jeweiligen Anforderungen der Kunden ausgerichtet sind.

Großmann kann sich vorstellen, dass die SeeFront-Technik in drei Jahren auch in Tablets großer Elektronikkonzerne integriert wird. „Der nächste Entwicklungsschritt ist, unsere Elektronikbauteile deutlich zu verkleinern“, sagt der Unternehmer, dessen Firma bereits von Experten der Branche als weltweiter Technologieführer für brillenlose 3-D-Einzellösungen anerkannt wird. Mit der Serienproduktion der Monitore soll auch die Mitarbeiterzahl in den nächsten zwei Jahren auf 20 steigen.

Dazu muss Großmann größere Räumlichkeiten in Hamburg suchen. Um einen weiteren Wachstumsschub zu ermöglichen, plant die bisher fast vollständig eigenfinanzierte Firma, einen Investor ins Boot zu nehmen. „Wir brauchen das zusätzliche Kapital nicht um jeden Preis. Aber mit einem Investor, der auch strategisch denkt, könnten wir schneller weitere profitable Märkte erschließen.“