Er will sich bei dem 15-jährigen Hamburger entschuldigen. Nach Neonazi-Angriff auf die Schulklasse stornieren viele Gäste ihren Urlaub. Etliche Schmäh-E-Mails hatten den Bürgermeister offenbar erreicht.

Hamburg/ Bad Schandau. Andreas Eggert klingt zerknirscht. Und verbittert. Am Telefon ist dem Bürgermeister von Bad Schandau anzumerken, wie sehr ihn der fremdenfeindliche Angriff auf Zehntklässler des Hamburger Goethe-Gymnasiums (Lurup) belastet. Eggert sorgt sich nicht nur um das Image des Kurorts in der Sächsischen Schweiz – er wirkt aufrichtig betroffen. Er wolle sich persönlich bei dem 15 Jahre alten Schüler entschuldigen, der bei der Attacke in der Nacht zu Sonnabend vorvergangener Woche schwer verletzt worden war, sagte Eggert dem Abendblatt. „Ich bin entsetzt.“

Nachdem das Abendblatt am Montag über die Tat berichtet hatte, stand sein Telefon nicht mehr still. Etliche Schmäh-E-Mails hätten ihn erreicht, so der parteilose Bürgermeister. „Einer schrieb: ,Ihr solltet das ganze braune Gesocks zur Adoption freigeben‘, darauf ich: ,Wie viele willste denn haben?‘“ Ein Rest Galgenhumor, den er sich selbst in dieser verzwickten Situation bewahrt hat. Aber schließlich ist Eggert ein hocherfahrener Katastrophen-Manager. Erst im Juni hatte das Elbe-Hochwasser (mal wieder) das Zentrum seiner Stadt unterspült. Danach hoffte Eggert auf Ruhe.

Bad Schandau, ein Idyll im Elbsandsteingebirge, lebt zum guten Teil vom Tourismus. Berichte über rechtsradikale Umtriebe und Hinweise darauf, dass die Sächsische Schweiz als Hochburg der NPD gilt, sind dem Geschäft nicht gerade zuträglich. Per Mail hätten Urlauber ihren Aufenthalt schon abgesagt. Dabei gehe die Stadt das Thema Fremdenhass offensiv an, so Eggert.

Auch das sächsische Innenministerium zeigt sich betroffen. „Es handelt sich um einen schlimmen Einzelfall, für den wir uns von sächsischer Seite entschuldigen müssen“, sagt Sprecher Martin Strunden.

Seit Montag sind drei Ermittler des mit der Bekämpfung extremistischer Taten betrauten Leipziger Operativen Abwehrzentrums (OAZ) in Hamburg, um Zeugen der Tat zu vernehmen. Nach Abendblatt-Informationen wird gegen elf Männer im Alter zwischen 20 und 27 Jahren wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung ermittelt. „Inwieweit von einer rechtsextremen Straftat auszugehen ist, müssen die weiteren Ermittlungen zeigen“, sagte Lorenz Haase, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden.

Unterdessen wird ein bemerkenswerter Umgang der Schule mit dem Fall offenbar. Seine Schüler würden lernen, dass die „Konsequenzen eines Regelverstoßes nicht vorhersehbar“ seien, zitiert „stern.de" Egon Tegge, Leiter des Goethe-Gymnasiums. Wie berichtet, hatten mehrere Schüler am Vorabend der Rückreise trotz Verbots die Jugendherberge verlassen und ein Dorffest besucht. Dabei sollen sie in Streit mit betrunkenen Männern geraten sein. Wenig später wurde die Herberge angegriffen. Wie Zeugen erzählten, grölten die Täter Parolen wie „NSDAP – wir vergessen nie“. Aus Angst sperrten sich die Schüler in ihren Zimmern ein.

Der 15 Jahre alte Tim M., ein Deutsch-Chinese, wurde auf der Toilette von drei mutmaßlichen Rechtsradikalen zusammengeschlagen. Die Schwere seiner Verletzungen erkannten die sächsischen Ärzte indes nicht. Erst Tage später wurden im UKE ein Kieferbruch und eine Augenhöhlenbodenfraktur diagnostiziert. Der Junge musste operiert werden. Er ist am Montag aus der Klinik entlassen worden.