Deutsche U-Boote für Ägypten. Der Norden lebt gut vom Waffenexport in Krisengebiete

Die vielleicht interessanteste Frage zu den Waffenexporten der deutschen Industrie ist: Hat Deutschland das eigentlich nötig? Man könnte hier die üblichen Standardargumente über Lieferungen an „befreundete“ Staaten anführen, über strategische Balancen und geostrategische Verantwortung. Allein: Diese Argumente sind so nebulös wie verlogen. Wer möchte ernsthaft glauben, dass es der militärischen Balance dient, wenn die Kieler HDW-Werft des ThyssenKrupp-Konzerns U-Boote an Israel wie auch an Ägypten liefert? Wer mag es für eine friedenssichernde Maßnahme halten, wenn ebendort Fregatten für Algeriens Marine geschweißt werden?

Dem langjährigen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) wird der Satz zugeschrieben: „Was schwimmt, geht – was rollt, geht nicht.“ Gemeint war damit: Exporte deutscher Unternehmen von Panzern oder gepanzerten Fahrzeugen erregen zumeist schnell öffentliche Empörung und politischen Widerstand. Ausfuhren von Überwasser-Marineschiffen oder U-Booten hingegen nicht. Genscher, ein weitsichtiger Mann, behielt wie so oft recht: Der von Saudi-Arabien erwünschte Kauf deutscher Leopard-Panzer wird seit Jahren debattiert. Der Wunsch der Saudis, zugleich auch mehrere Dutzend Patrouillenboote aus deutscher Fertigung zu erwerben – gebaut von der Bremer Lürssen Werft – erregt hingegen kaum öffentliches Aufsehen. Hier funktioniert eine Schlussfolgerung, die in ihrer Schlichtheit fast schon dämlich wirkt, die tatsächlich aber nur zynisch ist: dass man mit Kriegsschiffen nicht auf Demonstranten schießen kann. Das trifft sicher zu bei Demonstrationen in der Innenstadt. Wie selbst kleine Schiffe zu einem großen Sicherheitsrisiko werden können, sieht man indes immer dann, wenn Irans Revolutionswächter mit ihren Schnellbooten die Blockade des Öl-Exportweges an der Straße von Hormus proben. Solche Manöver lassen sich auch mit Gebrauchtbooten fahren, die man nicht direkt in Deutschland gekauft hat.

Besonders gefährlich an der Debatte um Rüstungsexporte ist, dass diese immer mehr von einer wirtschaftlichen Logik geprägt wird. Beinahe anbiedernd warb Kiels neue Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD) im Mai bei der Taufe eines neuen U-Bootes für die Deutsche Marine darum, dass der ThyssenKrupp-Konzern die Zentrale seiner Marinesparte TKMS an die Förde verlegen möge. Durch Deutschlands größte Marinewerft HDW, das weltweit wichtigste Zentrum für den konventionellen U-Boot-Bau, bleibe Kiel „erheblich von der Rüstungsindustrie geprägt“, räumte sie unumwunden ein.

Deutschland ist, nach den USA und Russland, der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Handfeuerwaffen und Landfahrzeuge stehen dabei weit stärker im Fokus als Überwasser-Marineschiffe und U-Boote. Das Marinegeschäft an den deutschen Küsten aber gewinnt stetig an Bedeutung, je stärker Deutschlands Position beim Bau von Handelsschiffen schrumpft. Arbeitsplätze und üppige Gewinne beim Bau von Hochtechnologiewaffen werden damit immer mehr zu einem unschlagbaren Argument, gerade in strukturschwachen Regionen wie Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder dem nördlichen Niedersachsen. Auch von der politisch sonst stets agilen Großgewerkschaft IG Metall wird man gegen den Bau und den Export von Marineschiffen keine Einwände hören, denn es geht um Beschäftigung und damit letztlich um zahlende Mitglieder.

Auf diese Weise bleibt auch die norddeutsche Küstenregion Teil des weltweiten Waffengeschäfts. Torpedos von Atlas aus Wedel, elektronische Ortungssysteme aus Bremen, Patrouillenboote aus Wolgast? Kein Problem, und vor allem: kein Thema. Richtig ist, was Arbeit schafft. Ob das dem Frieden dient? Wohl kaum.