60 Bewohner beziehen neues Containerdorf nahe dem Tierpark, 200 sollen es werden. Nachbarn wollen ihnen helfen

Lokstedt. „Asylanten raus“, steht in schwarzer Schrift auf dem kleinen weißen Aufkleber am Fenster des Supermarktes nahe der U-Bahn-Haltestelle Hagenbecks Tierpark in Lokstedt. Gleich hinter dem Supermarkt treffen an diesem Mittwoch um 11.30 Uhr die ersten 25 Flüchtlinge im Containerdorf in der Straße Lokstedter Höhe ein. 60 sollen es am ersten Tag werden, überwiegend aus den ehemaligen Ländern der früheren Sowjetunion.

Unter ihnen sind Männer, Frauen und viele Kinder im Kindergartenalter. In Rollkoffern, Supermarkttüten und Müllsäcken brachten die Menschen ihre wenige Habe auf den Park-and-ride-Parkplatz, der nun ihr Zuhause sein soll.

Gab es in der Vergangenheit oft Proteste von Anwohnern gegen Flüchtlingsunterkünfte, wollen diese Mal, anders als der Aufkleber am Supermarkt vermuten lässt, viele Hamburger, die Flüchtlinge willkommen heißen. So wie Renate Federau, 63, und ihre Freundin Brigitte Carstens, 57. Die beiden haben sich nach einem Hagenbeck-Besuch spontan entschlossen, sich das Flüchtlingscamp anzusehen. „Die Toiletten machen einen ordentlichen Eindruck, aber was fehlt, ist eine Sandkiste, eine Schaukel und Spielzeug für die Kinder“, sagt Renate Federau. Sie freut sich, dass die Container hier stehen: „Gott sei Dank ging es dieses Mal, ohne dass sich gleich eine Bürgerinitiative gegründet hat. Es kann doch auch nicht immer gegen alles geklagt werden!“

In ihrem Eifer wollten die Damen am liebsten gleich Spielzeug und Kleidung spenden. Doch dem Sozialmanager ist es lieber, wenn damit erst in zwei, drei Wochen begonnen wird. Es fehlen Lagerkapazitäten. Sozialmanager Holger Nuss von „fördern und wohnen“, dem Betreiber der Unterkunft, ist noch damit beschäftigt, seinen Bürocontainer einzurichten, als die ersten Flüchtlinge eintreffen. Die Verständigung klappt einigermaßen – auch mit Händen, denn einen Dolmetscher gibt es nicht. Flüchtlingen, wie Sabella, 40, und Ahmet, 44, aus Mazedonien und ihren sechs Kindern im Alter von zwei bis 21 Jahren werden in Plastik verpackte Decken und Kopfkissen gereicht. Dann zeigt ihnen Holger Nuss ihre zwei Wohncontainer mit den Nummern 6710 und 7829. Weil dieser Morgen so trüb ist, schaltet Sabella die beiden Neonröhren an. Der Container, etwa 25 Quadratmeter groß, ist spartanisch ausgestattet: Etagenbetten, Metallschränke, Tisch und Stuhl.

Ein Wachdienst ist rund um die Uhr vor Ort. Es gab schon Vandalismus

„Zu Hause gibt es keine Arbeit, nur Probleme“, sagt Ahmet. Vor vier Monaten sei er nach Hamburg gekommen. Er kann nur ein wenig Deutsch, die Verständigung ist schwer. Die eine Tochter sei schwer herzkrank und müsse operiert werden. Lilia, die eine Containerreihe weiter wohnt, ist mit ihrem Mann und den beiden Kindern Iman, 2, und Eimani, 3, aus Tschetschenien nach Deutschland gekommen. In Hamburg wird ihr drittes Kind zur Welt kommen. Lilia ist hochschwanger.

Um die 90 Container sollen auf dem Parkplatz stehen, aufgeteilt in Wohncontainer, Sanitär- und Duschräume, einen Speiseraum, in dem die Flüchtlinge von einem Caterer versorgt werden. Später soll ein Spielzimmer eingerichtet werden. Im Laufe der kommenden zwei Wochen sollen 200 Flüchtlinge einziehen. „Das wird sehr eng werden“, sagt Holger Nuss. Einige Flüchtlinge scheinen enttäuscht, weil es so wenig Platz gibt. Drei Sozialarbeiter kümmern sich täglich von 8 bis 16 Uhr um die Menschen. Weil es in der vergangenen Woche schon Vandalismus gab – die Türschlösser zu den Containern waren mit Silikon verklebt – ist ein Wachdienst rund um die Uhr vor Ort.

„Wir streben langfristige Lösungen an, aber auf dem Weg dahin muss es Notmaßnahmen wie diese geben“, sagte Bettina Prott von der Sozialbehörde auf einer Informationsveranstaltung am Dienstagabend in der Grundschule Döhrnstraße. Dorthin waren rund 300 Interessierte gekommen, um mit Vertretern der Sozialbehörde, des Bezirksamtes Eimsbüttel und des Betreibers „fördern und wohnen“ zu diskutieren.

Die meisten zeigten Verständnis, viele wollen den Flüchtlingen helfen. „Wir sollten das als Chance begreifen“, sagte Julia Otten aus Lokstedt. „Was können wir tun, um die Menschen willkommen zu heißen?“ Dafür gab es Applaus. Ein wenig bremsen musste Rembert Vaerst, Geschäftsführer von „fördern und wohnen“, die Anwohner: „Geben Sie den Menschen noch einige Wochen Zeit und Ruhe!“ Wer sich für die Flüchtlinge engagieren möchte, konnte sich in einer Liste eintragen. Es gab auch ein Rentnerpaar, das sagte: „Ohne Park-and-ride-Anlage werden die Leute jetzt bei uns vor der Haustür parken.“ Angst vor Einbrüchen hätten sie auch.

Zwar ist das Containercamp bis Ende des Jahres befristet, doch weil die Zahl der Flüchtlinge, die Schutz vor Bürgerkriegen und Verfolgungen suchen, dramatisch steigt und Flächen knapp sind, werden die Container bis zu zwei Jahre bleiben, so Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD).