Internationale Wissenschaftler diskutieren in Hamburg Herausforderungen der Urbanisierung. Südafrikaner Sean Cleary: “Wir müssen noch eine Menge voneinander lernen, wenn wir weiter gemeinsam auf diesem Planeten leben wollen.“

Hamburg. Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Wie werden immer mehr Menschen in den Städten künftig am besten transportiert? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigen sich führende Wissenschaftler aus der ganzen Welt derzeit beim Wissenschaftsdialog in Hamburg. Rund 70 Teilnehmer aus 20 Ländern diskutieren bei der vom Humanwissenschaftlichen Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Parmenides Stiftung organisierten Veranstaltung über die Herausforderungen der Zukunft.

Der Südafrikaner Sean Cleary, der mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos verbunden ist, hat bei seinem Impulsvortrag in der Alsterlounge ein relativ dunkles Bild der Metropolen von morgen gezeichnet. Während aktuell rund die Hälfte der Menschen in Städten lebt, werde dieser Anteil bis 2050 auf rund 66 Prozent steigen, prognostiziert Sean Cleary eine drohende Überbevölkerung. Gleichzeitig verliere die Bevölkerung Vertrauen und Respekt in politische Institutionen.

Clearys Appell: „Wir müssen noch eine Menge voneinander lernen, wenn wir weiter gemeinsam auf diesem Planeten leben wollen.“

In der von Abendblatt-Leserbotschafter Ralf Nehmzow moderierten Podiumsdiskussion ging es anschließend um die Herausforderungen der Zukunft. Simone Köhler von Siemens sieht Probleme vor allem bei der Infrastruktur: „Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl der im öffentlichen Nahverkehr zurückgelegten Kilometer verdreifachen.“

Die Urbanisierung übe einen „massiven Druck“ auf das Transportwesen aus, so Köhler. „Wir suchen nach Lösungen, mehr Menschen zu transportieren.“ Um dem steigenden Verkehrsaufkommen standhalten zu können, müsse man ein System installieren, das einen einfachen Wechsel zwischen öffentlichen und privaten Transportmitteln erlaube. Ein nahtloser Übergang zum Beispiel zwischen U-Bahn und Bike- und Carsharing-Angeboten sei eine Lösung.

Mit seiner These („Ich glaube nicht an die Urbanisierung“) sorgte Ernst Pöppel vom Humanwissenschaftlichen Zentrum der Uni München für eine Kontroverse. Vielmehr müsse man für die Großstadtbewohner eine Alternative, einen Ort der Zuflucht schaffen. „Wenn Sie in Manhattan leben, brauchen Sie einen Ausgleich. Wir benötigen mehr Platz im Umland, an den sich die Menschen zurückziehen können, um sich wieder aufzufrischen“, sagt der Psychologe Pöppel, der bei den Städtern den „Wunsch nach Alleinsein“ beobachtet hat.