Fahrradstadt Hamburg: 25 Kilometer pro Jahr werden für Radfahrer neu geschaffen oder erneuert. Weltweite Radler-Initiative erfährt bei Hamburger Demo Rekordbeteiligung.

Hamburg. Der Treffpunkt wird erst vier Stunden vorher im Internet veröffentlicht, eine feste Organisation gibt es nicht: Nicht nur während der Cyclassics wird Hamburg zu einer Art Fahrradhauptstadt Deutschlands. Auch jeden letzten Freitag im Monat beherrschen abends für ein paar Stunden Radfahrer viele Straßen in der City. „Critical Mass“, kritische Masse, heißt eine weltweite Bewegung mit der Radfahrer bei gemeinsamen Rundfahrten durch die Stadt für eine Gleichberechtigung des Radverkehrs protestieren.

„Wir behindern nicht den Verkehr, wir sind der Verkehr“, lautet das Motto (www.criticalmass-hamburg.de). Zu Tausenden fahren sie dann im Pulk über die Straßen, manche Kreuzungen sind für Autofahrer gut 20 Minuten lang nicht passierbar. Eine Art Spaßdemonstration, die laut dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) nirgendwo in Deutschland so viele Teilnehmer hat wie in Hamburg. Mehr als 3000 Radler zählte der Club beim letzten Mal. „Das war Rekord“, sagt ADFC-Sprecher Dirk Lau. Am kommenden Freitag werden wieder so viele Radler erwartet. Offensichtlich gibt es in der Hansestadt für Radfahrer gute Gründe dabei zu sein: 1400 Kilometer umfasst das Netz der Radwege hier, doch viele sind zu schmal, verlaufen auf Gehwegen oder führen ins Nichts. „Man hört oft, dass es Teilnehmern darum geht, auf diese Situation aufmerksam zu machen“, sagt Lau. Aber auch Spaß ist natürlich dabei, eine Mix aus Loveparade und Fahrraddemo, wie Lau sagt, der oft mitfährt.

Der Alltag sieht für viele Radler anders aus. Zwar steigt der Anteil des Fahrrads am Verkehrsgeschehen stetig, doch der Platz ist eng. Immer wieder werden Radler auf großen Straßen angehupt, obwohl sie dort oft fahren dürfen. Die Stadt hat angesichts des zunehmenden Radverkehrs Ausbau und Sanierung von Radwegen nun verstärkt.

Noch im Jahr 2008 waren nur knapp neun Kilometer Radwege saniert oder ausgebaut worden. 2012 erhöhte sich die Länge auf immerhin 22,2 Kilometer. Und auch in den nächsten Jahren sollen im Durchschnitt jedes Jahr rund 25 Kilometer neue Fahrradprojekte in der Stadt umgesetzt werden. Bis 2018, so verspricht die Behörde, soll beispielsweise das Netz der 14 Velorouten fertiggestellt werden, die sternförmig in die City verlaufen. Ein Projekt, das allerdings schon in den 1990er-Jahren gestartet wurde.

Entsprechend zurückhaltend äußert sich der ADFC. Bei dem jetzigen Tempo würde es mehr als 30 Jahre dauern, die Situation an den 550 Kilometern Hauptstraßen in Hamburg zu verbessern, „Wir begrüßen natürlich die Maßnahmen“, sagt Sprecher Dirk Lau. Doch häufig seien Projekte darunter, die den Radverkehr wenig voranbringen. Wichtiger sei, dass man Strecken wie an der Stresemannstraße angehe, wo Verbesserungen für Radfahrer wirklich wichtig seien, sagt Dirk Lau.