Anwerbung von Pflegeschülern droht an jungen Tunesiern zu scheitern. Idee aber richtig

Man darf sich nichts vormachen: Die Anwerbeaktion tunesischer Azubis für die Krankenpflege in Hamburg ist vorerst gescheitert. Nach den Gründen sollte man sorgfältig fahnden, vor allem innerhalb der Gruppe.

Aber das Prinzip ist damit noch lange nicht tot. Ganz im Gegenteil: Das Konzept von Asklepios, Bundesregierung und Hamburg ist tatsächlich eine wegweisende Methode. Nie zuvor gab es eine derart sinnvolle Zusammenarbeit öffentlicher wie privater Initiativen – neudeutsch: Public-Private Partnership – und einen handfesten Bezug zu unserer alternden Gesellschaft und dem Arbeitsmarktbedarf an Pflegemitarbeitern.

Gemessen an anderen vollmundigen Versprechen, ausländische Arbeitnehmer anzulocken, ist dieses Projekt noch kein Königsweg, aber vielversprechend. Man denke nur an Gerhard Schröders „Computer-Inder“, die aus Bangalore herbeiströmen sollten und nicht kamen. Oder die „Blue Card“, eine Erfindung von EU-Bürokraten. Sie vergaßen bei ihren Regeln für junge, hoch qualifizierte Zuwanderer leider, dass diese nicht im ersten Jahr schon fast 70.000 Euro Jahresgehalt haben. Das war völlig lebensfremd und deshalb ein Flop.

Und es gibt noch einen Aspekt, der diese Anwerbeaktion von Menschen aus den Ländern des Arabischen Frühlings so besonders macht. Sie steht in einer guten demokratischen und humanitären Tradition der Bundesrepublik. Mit den Lehren aus Judenverfolgung, Krieg und Vertreibung im Gepäck, haben viele Deutsche in den vergangenen Jahrzehnten einen Bürgersinn entwickelt, der sich auch von Gesetzbüchern nicht aufhalten lässt.

So rührt der Fall der tunesischen Azubis an unser generelles Verständnis von Zuwanderung und Integration. Unbestritten müssen die Ausbildungsunwilligen nun Hamburg verlassen. Sie haben die Regeln missachtet, die mit ihnen vereinbart wurden. Auf sie wartet in ihrer Heimat ein bedauernswertes Schicksal: ein labiles Staatsgefüge, eine zerfallende Gesellschaft, kein Job, keine Perspektive.

Die Regeln zu Zuwanderung, Aufenthaltsrecht und Anerkennung von Ausbildungen gehören neu gedacht. Zum Teil geschieht das schon. Es ist der Not geschuldet, dass in Kliniken, Heimen und Haushalten Pfleger fehlen. In Deutschland leben Flüchtlinge, die seit Jahren geduldet werden, aber ihre Arbeitskraft nicht einbringen können. Unter ihnen sind viele, die nichts sehnlicher wollen als einen Job. Die angespannte Situation in Pflege und Betreuung gibt diese Stellen her. Es wäre ein erster Schritt zu einer erfolgreichen Integration.

Vor allem in Hamburg setzen sich engagierte Bürger für Schüler ein, damit sie nicht abgeschoben werden. Sie kümmern sich um Bedürftige, die auf der Flucht vor Krieg in einer der reichsten Städte Europas gestrandet sind. Diese humanitäre Einstellung kuscht nicht vor Gesetzen, die sagen: Sofort abschieben!

Es wäre recht kurz gesprungen, sich nur auf geltendes Recht zurückzuziehen. Selbstredend kann Deutschland nicht jeden Flüchtling aufnehmen. Aber da es schon keine EU-Solidarität und kein Konzept gibt, wäre es doch sinnvoll, aus dem Pflegenotstand eine Anwerbetugend zu machen.

Wie war es denn jahrelang mit den osteuropäischen Pflegerinnen in Tausenden Familien? Sie arbeiteten gut, aber schwarz. Inzwischen gibt es Regelungen, die die Frauen und die privaten Arbeitgeber aus der Illegalität herausholen. Vor dem Hintergrund explodierender Zahlen von Pflegebedürftigen war das sinnvoll.

Die demografische Entwicklung wird uns zu unkonventionellen Überlegungen zwingen. Die Stammtischleier à la „Das Boot ist voll“ wird dem Problem nicht gerecht. Diese Debatte muss eine Gesellschaft aushalten können, die von sich zu Recht sagt, eine der freiesten und wohlhabendsten zu sein, die die Erde kennt.