Schmerzmittel, Betablocker, Antibiotika – Werte häufig doppelt so hoch wie die EU-Norm

Hamburg. Die Gewässer im Einzugsgebiet der Alster sind erheblich mit Medikamenten-Rückständen belastet. Nach Abendblatt-Informationen hat das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt in der Ammersbek, Alster, Kollau und in der Osterbek über einen langen Zeitraum immer wieder gravierende Spuren von Schmerzmitteln, Betablockern, Lipidsenkern, Antibiotika und Röntgenkontrastmitteln gemessen.

Die Konzentrationen von Arzneimitteln wie Diclofenac (Schmerzmittel), Metoprolol (Betablocker), Sulfamethoxazol (Antibiotikum) und Iopromid (Röntgenkontrastmittel) werden nach Angaben der Umweltbehörde und des Instituts für Hygiene und Umwelt in „gut messbaren Konzentrationen regelmäßig gefunden“. Die Werte seien häufig doppelt so hoch wie die von der Europäischen Union gesetzte Norm.

„Legt man den Vorschlag der EU-Kommission für eine Umweltqualitätsnorm für das Schmerzmittel Diclofenac von 0,1 Mikrogramm/Liter im Jahresdurchschnitt zugrunde, so würde sich im oberen Alstergebiet von der Ammersbek kommend eine Überschreitung dieser Norm ergeben“, sagt Udo Rohweder vom Institut für Hygiene und Umwelt. Die möglichen Auswirkungen und gesundheitlichen Risiken von Arzneimitteln in der Umwelt seien generell noch nicht abzusehen. „Darüber ist sehr wenig bekannt.“

Der Alstertaler CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Thilo Kleinbauer bezeichnet die über einen längeren Zeitraum erhobenen Werte als „erschreckend“ und fordert ausführliche Informationen durch Behörden und Experten. Nabu-Gewässerschutzexperte Eike Schilling warnt vor den Folgen für das Ökosystem.

Derweil bemängelt das Umweltbundesamt (BUA) in Dessau den fehlenden Informationsaustausch zwischen den Behörden. „Wir verfügen leider über keine Daten von Elbe und Alster“, sagt Gerd Maack von der BUA-Abteilung Umweltbewertung Arzneimittel. Die Hamburger Analysen seien allerdings kein Einzelfall. „Arzneimittel sind inzwischen flächendeckend in der Umwelt nachzuweisen.“ Insgesamt gelangen in Deutschland jeden Tag mehrere Tonnen von Arzneimittelwirkstoffen hauptsächlich durch Ausscheidungen über den menschlichen Körper in das Abwasser. Darüber hinaus werden jährlich mehrere Hundert Tonnen unsachgemäß über die Toiletten entsorgt. Die Umweltbehörde appelliert deshalb an die Hamburger, Medikamente sachgerecht zu entsorgen – etwa in der grauen Hausmülltonne. Dies ist in Hamburg legal; Hausmüll wird in der Hansestadt zu 100 Prozent verbrannt.

Gesundheitliche Gefährdungen des Trinkwassers durch die Rückstände im Alstereinzugsgebiet treten nach Ansicht des Unternehmens Hamburg Wasser nicht auf. Die Brunnen im Einzugsgebiet der Alster befinden sich in einer Tiefe von 430 Metern und werden durch mächtige Deckschichten vom Oberflächenwasser getrennt. „Eine Qualitätsbeeinträchtigung des genutzten Grundwassers durch das Wasser der Alster ist deshalb auszuschließen“, hieß es bei Hamburg Wasser. An diesem Dienstag befasst sich der Umweltausschuss der Wandsbeker Bezirksversammlung mit dem Medikamenten-Cocktail in Hamburger Gewässern.