Eine Glosse von Sven Kummereincke

Telefonzelle. Das ist so ein Wort, das in eine Reihe mit Euroscheck, Groschen und Chromkassette gehört und bei allen nach 1980 Geborenen einen „Opa erzählt wieder vom Krieg“-Gesichtsausdruck hervorlockt. Für mich dagegen ist es ein Wort aus der guten alten Zeit, in der es noch Generaldirektoren gab und keine CEOs, und die Telekom Bundespost hieß und einen eigenen Minister hatte.

Also: Eine Telefonzelle ist ein Ein-Quadratmeter-Häuschen mit drei Wänden, Fußboden, Dach und einer Tür. Und einem riesigen schwarzen Kasten, dem „Münzfernsprecher“, im Volumen von etwa 500 Smartphones, in den man Zehn- und 50-Pfennigstücke stecken musste, die in der Regel aber gleich unten wieder rausfielen. Und es gab gewaltige Telefonbücher, bei denen immer exakt die Seite fehlte, die man gerade brauchte. Außerdem galt die Regel: Je dringender das Telefonat und je stärker der Regen, desto länger quatscht die Dame, die vor einem dran war. Und je näher die Zelle an einem Bahnhof stand, desto mehr stank es nach kaltem Rauch und Bier. Für Ferngespräche musste man schon einen Sack Münzen mitnehmen, um auch nur das Wichtigste mitzuteilen. Kurz: Telefonzellen waren einfach toll.

Waren? Sind! Denn im Kollegenkreis kursieren Gerüchte, dass es irgendwo in Niendorf noch eine geben soll. Eine original gelbe. Mit Telefonbüchern. Sachdienliche Hinweise nimmt die Redaktion gern entgegen. Denn wenn es diese Zelle wirklich gibt, wollen wir sie retten. Ein Quadratmeter Nostalgie wird ja wohl noch erlaubt sein.