Andrea Blösz und ihr Mann wollen in Schnelsen zehn Seniorenwohnungen bauen. Der Bedarf ist riesig, doch Hamburgs Behörden machen ihnen das Leben schwer.

Schnelsen. Was lange währt, wird gut: Auch wenn Andrea Blösz und ihrem Mann Thomas Eichner im Augenblick nicht nach Champagner zumute ist, so können doch beide wenigstens ein klein wenig lächeln. Am heutigen Dienstag soll es endlich so weit sein: Dann wollen die Blösz’ den Kaufvertrag für ihr Nachbargrundstück unterschreiben, um endlich mit dem Bau von zehn altengerechten Wohnungen beginnen zu können.

Seit 1996 lebt Andrea Blösz an der Peter-Timm-Straße in Schnelsen. Die Grenze zu Schleswig-Holstein ist hier im Norden Eimsbüttels nah. Einfamlienhäuser und sommerliche Stille erinnern eher an ein Dorf als an eine Millionenmetropole. Hinter ihrem Haus, da, wo der Garten endet, hat die Familie ein kleines Gehege für Hühner, Kaninchen und Enten angelegt.

Andrea Blösz und ihr Mann betreiben einen Pflegedienst, die Aktiv Pflege Hamburg GmbH. Die Mitarbeiterinnen betreuen rund 200 Senioren. Die Arbeit mit den älteren Menschen hat sie auf die Idee gebracht, ein dreistöckiges Gebäude mit zehn altengerechten Wohnungen zu errichten. Zwischen 43 und 78 Quadratmeter groß sollen die Apartments jeweils werden.

Der Bedarf an solchen Wohnungen ist in Hamburg groß. Bis zu zehn Jahre müssen Senioren hier darauf warten. Derzeit leben in der Hansestadt rund 421.000 Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Damit gilt fast jeder vierte Hamburger im landläufigen Sinne als Senior. Das Angebot an altengerechten Wohnungen ist hingegen überschaubar. Die Gesundheitsbehörde spricht von rund 130 sogenannten Servicewohnanlagen. Rund 10.300 Wohnungen kommen so hamburgweit zusammen.

Wissenschaftler schlagen aber längst Alarm. Bis zu 50.000 altersgerechte Wohnungen würden in den kommenden Jahren in Hamburg fehlen, fand das Hannoveraner Pestel-Institut unlängst in seiner Studie „Wohnen 65plus“ heraus. Demnach werden im Jahr 2035 in Hamburg rund 408.000 Menschen älter als 65 Jahre sein.

Angesichts dieser Zahlen überrascht die Geschichte der Familie Blösz. „Ursprünglich wollten wir schon zu Beginn dieses Jahres das Haus mit den altengerechten Wohnungen eröffnen“, erzählt Andrea Blösz. Doch dann musste die Familie erleben, wie sie im Umgang mit Behörden fast unter die Räder der Bürokratie kam. Das Nachbargrundstück von Familie Blösz liegt lange Zeit unbebaut da. „Bei unserer Arbeit im Pflegedienst reden wir viel mit Senioren und wissen, dass viele sich eine kleine Wohnung wünschen“, sagt Andrea Blösz. Was lag da näher, als selbst ein Angebot zu unterbreiten.

Im September 2011 stellt die Familie den Bauantrag für ein Gebäude mit zehn altengerechten Wohnungen. In der Finanzbehörde am Gänsemarkt stößt ihre Idee auf Wohlwollen. Vier Monate später unterschreibt die Behörde einen Vorvertrag, in dem der Familie Blösz das Recht eingeräumt wird, das Nachbargrundstück zu kaufen.

Auch Gesundheitsbehörde und Heimaufsicht signalisieren der Familie Unterstützung. Beide Institutionen sind angesichts der Alterung unserer Gesellschaft über jede zusätzliche altengerechte Wohnung froh. Daher wird die Familie sich auch rasch mit der Wohnungsbaukreditanstalt einig. Rund 1,3 Millionen Euro soll das gesamte Projekt in Schnelsen kosten.

Alles scheint auf einem guten Weg. Da gibt es plötzlich Probleme mit dem Bezirksamt Eimsbüttel, das die Baugenehmigung nicht erteilen will. Im Kern geht es um die Zahl der Stellplätze für Fahrzeuge und die Aufstellfläche für die Feuerwehr. Über Monate gehen Papiere zwischen der Familie und der Behörde hin und her. Mal schlägt das Amt eine Verlegung der Stellplätze vor, mal eine Hausdurchfahrt. Selbst Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) kümmert sich zeitweise um das Projekt.

„Es ist nicht so, dass die Beamten nicht wollten“, sagt Andrea Blösz rückblickend. „In einigen Fragen sind sie uns entgegengekommen.“ Aber Gesetze sind Gesetze und immer wieder droht das Projekt an einer (zu) engen Auslegung von Vorschriften zu scheitern.

Inzwischen ist der Sommer 2012 im Land. Noch zeigen Finanzbehörde und Wohnungsbaukreditanstalt sich geduldig. Schließlich ist das Vorkaufsrecht der Familie Blösz an dem Grundstück zeitlich befristet – und damit auch der in Aussicht gestellte Kredit.

Dann, endlich, im Oktober 2012 ist es so weit. Andrea Blösz und ihr Ehemann erhalten die vom Bezirksamt erteilte Baugenehmigung. Doch die Freude währt nur kurz. Inzwischen ist in der Finanzbehörde die Geduld erschöpft und das Vorkaufsrecht ausgelaufen.

Als die Familie Blösz nachfragt, erklärt die zuständige Kommission für Bodenordnung, der Preis für das Grundstück sei inzwischen um 113.000 Euro auf 373.000 Euro gestiegen. „Damit wurde aber unser Finanzierungskonzept über den Haufen geworfen“, sagt Andrea Blösz. „Finanziell hätte das Projekt nicht mehr funktioniert.“ Doch an Aufgeben denkt sie nicht.

Ein Hoffnungsschimmer bleibt. Der Preis sei „verhandelbar“, heißt es aus der Behörde. Notwendig ist aber ein Schreiben der Gesundheitsbehörde, in dem auf den Bedarf an den zehn altengerechten Wohnungen hingewiesen wird. Auch als das Schreiben vorliegt, bewegt die Kommission sich nur millimeterweise. Mehrfach wird eine Entscheidung versprochen. Mehrfach heißt es anschließend: man habe „ergebnisoffen“ diskutiert. Derweil laufen monatlich Bereitstellungszinsen in Höhe von mehreren Hundert Euro auf.

Am vergangenen Donnerstag entscheidet die Kommission endlich. „Wir können das Grundstück für 320.000 Euro kaufen“, sagt Andrea Blösz. Als sie einen Tag später den Vertragsentwurf in der Hand halten, ist darin plötzlich von 20 Pflegeplätzen die Rede. „Wir wollen kein Pflegeheim errichten“, sagt Andrea Blösz. Ihr Mann meldet sich beim zuständigen Beamten. Er beruhigt ihn und meint, die Probleme ließen sich lösen. So ganz traut Thomas Eichner dem Frieden aber nicht. „Ich glaube es erst, wenn ich den unterschriebenen Kaufvertrag in den Händen halte.“