Das Turnier am Rothenbaum zeigt, dass der Weiße Sport in Hamburg eine Zukunft hat

In der 22-seitigen Dekadenstrategie, die die Zukunftskommission Sport des Hamburger Senats im September 2011 vorstellte, finden sich klare Richtlinien für Veranstalter, die eins der förderungswürdigen „Top-Ten-Events“ ausrichten wollen. Jene Sportwettkämpfe sollen den Bürgern der Stadt gefallen und Touristen anlocken, sie sollen Hamburgs Image im Land und in der Welt verbessern und für Investitionen von Unternehmen nationaler und internationaler Strahlkraft sorgen. Sie sollen der Umwelt nicht schaden und die Inklusion von Behinderten und Menschen mit Migrationshintergrund voranbringen. Und sie sollen, sagt Sportamtsleiter Thomas Beyer, vor allem eins tun: positive Geschichten erzählen.

Das Tennisturnier am Rothenbaum hat in der abgelaufenen Woche Letzteres geschafft. An vier Tagen war die Arena ausverkauft. Das perfekte Sommerwetter und das gute Teilnehmerfeld, angeführt von den Zugpferden Roger Federer und Tommy Haas, lockten 75.000 Fans und damit 20.000 mehr auf die Anlage als im Vorjahr. Zwar sind das noch immer weniger als in den Jahren bis 2008, als in Hamburg ein Turnier mit Mastersstatus, in der zweithöchsten Kategorie nach den vier Grand Slams, ausgetragen wurde. Aber wer die Begeisterung der Menschen spürte, der darf konstatieren: Tennis lebt.

Mit 1.559.412 Mitgliedern in 9642 Vereinen ist der Deutsche Tennis-Bund (DTB) der größte Tennisverband der Welt und national hinter Fußball und Turnen der drittgrößte Sportverband. Die Zahl derjenigen, die den „Weißen Sport“ nicht organisiert betreiben, liegt weitaus höher. Tennis fasziniert viele vor allem als Breitensport; die Bereitschaft, mit den Besten des Fachs mitzufiebern, hatte in Deutschland rapide nachgelassen, weil die Nachfolger der goldenen Generation um Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich an die Triumphe des Trios nie heranreichten und deshalb aus dem Fernsehen verdrängt wurden.

Hamburg hat viele Jahre unter dieser Baisse gelitten. Einige sahen das Ende gekommen, als nach der Herabstufung des Mastersstatus durch die Herrentennis-Organisation ATP die Branchenführer ausblieben und der vom Mai in den Juli verlegte Termin zusätzlich Kundschaft kostete. Michael Stich, der 2009 als Turnierdirektor Verantwortung übernahm, und seinem Team ist es zu verdanken, dass der DTB in dieser Phase die Nerven und die Lizenzrechte behielt. Sie haben mit ihrem Konzept, den Menschen freien Eintritt auf die Anlage zu gewähren und Hamburg1 bei der Liveübertragung zu unterstützen, neue Zielgruppen erschlossen und dafür gesorgt, dass das Tennis nicht vollends aus dem Blickfeld verschwand.

Wie sehr es sich lohnt, für dieses Traditionsturnier zu kämpfen, zeigte sich nun in diesem Jahr. Besonders schön zu sehen war, dass im Sog der Superstars Federer und Haas auch andere Topspieler die Beachtung fanden, die sie verdienen. Die Hamburger, das ist bekannt, lassen sich für hochkarätigen Sport begeistern, egal wer ihn vorführt. Zu viele Jahre lang, und übrigens auch schon zu Masters-Zeiten, ist rund um den Rothenbaum zu viel über Probleme gesprochen worden. Kleinkarierter Streit hat zu oft überdeckt, dass am Rothenbaum Sport der Extraklasse geboten wird. Das hat dem Turnier ebenso geschadet wie dem Image der Stadt.

In vielen Punkten sind noch immer nicht alle am Turnier beteiligten Parteien einer Meinung. Im zu Jahresbeginn eskalierten Streit zwischen Verband und Veranstalter um die künftige Ausrichtung ist nur ein fragiler Waffenstillstand geschlossen worden. Nach dieser Turnierwoche muss allerdings auch der letzte Zweifler verstanden haben: Der Rothenbaum hat nicht nur eine 107-jährige Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft als wichtigstes deutsches Tennisturnier, die es zu erhalten gilt.