Bürgerentscheid in der Hansestadt. Anwohner in Bergedorf wollen bis zu 150 Meter hohe Anlagen verhindern

Hamburg. Der Ausbau der Windkraft in Hamburg sorgt für politischen Streit. Noch bis zum Donnerstag können die Wahlberechtigten im Bezirk Bergedorf über ein Bürgerbegehren abstimmen. Drei Bürgerinitiativen wollen verhindern, dass in Altengamme, Neuengamme und Ochsenwerder Windturbinen von 150 Meter Gesamthöhe gebaut werden. Die Stadt und Windparkbetreiber wie die Firma Net OHG wollen die bisher 76 Meter hohen Anlagen durch etwa doppelt so große Windturbinen ersetzen. Auch dadurch soll die in Hamburg installierte Windkraftleistung von derzeit 54 auf 100 Megawatt knapp verdoppelt werden.

Die Bürgerinitiativen fordern, die Gesamthöhe neuer Windturbinen auf maximal 100 Meter zu begrenzen und den Mindestabstand zu Wohngebäuden von derzeit 500 Meter auf 800 bis 1000 Meter anzuheben. „Wir sind für die Energiewende und für eine bürger- und umweltfreundliche Stromgewinnung aus Windkraft“, sagt Willy Timmann, Sprecher der Bürgerinitiativen. „Wir wehren uns aber gegen die Nähe der Megawatt-Riesen von teilweise 300 bis 500 Metern zur Wohnbebauung.“ Die Anwohner in Bergedorf fürchten erhebliche Belastungen durch größere Anlagen: „Die Belastung durch Geräusche und Schattenwurf wird deutlich zunehmen“, sagt Harri Arndt, Anlieger eines Windparks in Neuengamme.

Ein Bürgerentscheid gegen die Pläne wäre für die Stadt allerdings nicht bindend. Federführend ist die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt unter Leitung von Senatorin Jutta Blankau (SPD). Die Behörde nahm zu dem Konflikt auf Anfrage des Abendblatts nicht Stellung. Hamburg arbeitet daran, seine Position als wirtschaftliches Zentrum der Windkraft-Industrie in Deutschland zu festigen, unter anderem mit der Ansiedlung zahlreicher Windkraft-Unternehmen und der Ausrichtung der weltweit wichtigsten Windkraft-Messe von 2014 an. Mangels Flächen deckt die Hansestadt aber nur ein Prozent ihres Strombedarfs aus Windkraft, weit weniger als die norddeutschen Nachbarländer.

Naturschützer befürchten, dass der Ausbau der Windenergie zulasten der Tierwelt gehen könnte. Es bestehe erhöhte Gefahr, dass Großvögel wie Seeadler, Rotmilane, Störche und Kraniche mit den riesigen Rotorblättern moderner Anlagen kollidierten, warnte der Landesverband Schleswig-Holstein des Naturschutzbunds (Nabu). Zwischen 1997 und 2011 verunglückten im nördlichsten Bundesland mindestens 26 Adler an Windrädern, wie die Projektgruppe Seeadlerschutz Schleswig-Holstein herausgefunden hat. Warum die Greifvögel selbst bei klarem Wetter mit den Rotorblättern zusammenstoßen, ist bislang noch unklar.

Bundesweit gesehen sind nicht nur Großvögel, sondern mindestens 84 verschiedene Vogelarten und 13 Fledermausarten von tödlichen Kollisionen mit Windturbinen betroffen, wie aus einer Statistik der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg hervorgeht.

Ob durch die geplanten Neubauten künftig auch in Bergedorf von einer erhöhten Kollisionsgefahr auszugehen sei, lasse sich nur schwer prognostizieren, sagt Marco Sommerfeld, Referent für Vogelschutz beim Nabu Hamburg. Allerdings brüteten in den Vier- und Marschlanden im Bezirk Bergedorf die meisten Störche in Hamburg; im nahe gelegenen Naturschutzgebiet Heuckenlock brüteten Seeadler: „Kollisionen lassen sich also nicht ausschließen.“