Ihren Mann nennt sie Präsident George: Zum ersten Mal besucht die frühere First Lady Laura Bush Hamburg. Ein Gespräch über Lions und Weißes Haus

Bahrenfeld . Das Beste an der Präsidentschaft dieses gewissen George Walker Bush, so meinen nicht wenige auf beiden Seiten des großen Teichs, sei dessen Frau gewesen: Laura Bush, nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 als „Trösterin der Nation“ verehrt, gewinnt bis heute in den USA jede Wahl, wenn nach der beliebtesten „First Lady“ gefragt wird. Und wer die 66-Jährige – wie an diesem Wochenende bei ihrem ersten Besuch in Hamburg – trifft, der ahnt, warum.

Noch zierlicher als einst auf den Bildern in der „Tagesschau“ sieht sie aus, in ihrem korallenroten Kostüm. Doch ihre Wirkung ist stark – und das schon sehr früh am Morgen. Sie scherzt, lacht, verteilt Komplimente („großartige Stadt, allein der Blick aus meinem Hotel auf die Alster“) und erzählt Anekdoten – aus den Jahren im Weißen Haus, über „Präsident George“, wie sie ihren Ehemann nennt, und über das „new Baby“ in der Familie, die im April geborene Enkeltochter Margaret Laura, die alle nur „Mila“ rufen. Alles mit einer Herzlichkeit, die so professionell ist, dass sie glatt auch echt sein könnte.

Es wäre ein Leichtes für Laura Bush, die texanische Weite zu suchen, sich dauerhaft zurückzuziehen auf die Familienranch, die irgendwo in der atemberaubenden Flachheit in der Nähe der Ölstadt Midland liegt, und das zu tun, was sie schon als Kind dort in ihrer Geburtsstadt am liebsten gemacht hat: lesen. Gerade, verrät die Mutter der mittlerweile 31-jährigen Zwillingstöchter Barbara und Jenna, liege ein Buch über englische Geschichte auf ihrem Nachttisch.

Doch sie will mehr. Sie will wie früher, als sie gleich nach dem College an einer Grundschule in einem sozial schwachen Viertel in der Großstadt Dallas unterrichtete, dass „jedes Kind lesen und schreiben lernt“. Dafür müsse alles getan werden. Deshalb ist Laura Bush auch für einen Tag zum Weltkongress der Lions nach Hamburg gereist, hat vor Tausenden am Sonntag in der O2-Arena die Festrede gehalten. „Das neue Projekt der Lions, die überall auf der Welt so viel Gutes tun und auch gerade in Amerika sehr aktiv sind, ist der Kampf gegen den Analphabetismus. Der ist auch für mich eine Herzensangelegenheit, deshalb unterstütze ich das gern“, sagt die Pädagogin und Bibliothekarin, die an der Universität von Texas in Austin studierte. Gemeinsam mit Tochter Jenna, die ebenfalls dort ihren Abschluss gemacht und auch als Lehrerin gearbeitet hat, schrieb sie das Kinderbuch „Read All About It“.

Es geht darin um einen kleinen Jungen, der erst durch eine engagierte Lehrerin Freude an Büchern entwickelt. „Ich glaube, dass der Lehrerberuf der größte Dienst an der Gemeinschaft überhaupt ist“, hat Laura Bush einmal gesagt, als sie schon First Lady war. An der Seite des mächtigsten Mannes der Welt Politik zu machen oder gar selbst ein Amt anzustreben, wie die ehrgeizige Hillary Clinton, die später amerikanische Außenministerin wurde, das war Laura Bushs Sache nie. Aber für Bildungsthemen, sagt sie, habe sie sich immer eingesetzt.

Nur weil sich Laura Bush offenbar ganz wohlgefühlt hat in der „Frau an seiner Seite“-Rolle, wäre es grob fahrlässig, dieser „Anti-Hillary“ mangelnde Willensstärke zu unterstellen. Schließlich war sie – und nicht etwa Jesus, wie in den religiösen Südstaaten Amerikas gern erzählt wird – der Grund dafür, dass George Bush vor mehr als 20 Jahren dem Alkohol abschwor. „Jim Beam oder ich“, soll sie ihrem Mann, den sie 1977 – gerade einmal drei Monate nach dem ersten Treffen – geheiratet hatte, nach diversen Eskapaden gedroht haben. Er durfte sich entscheiden, hatte aber eigentlich keine Wahl.

Die Familie ist Laura Bush heilig. Dazu passt ihr Lieblingsbuch, „Unsere kleine Farm“, diese uramerikanische Hymne auf eine heile Welt und den Zusammenhalt in schwierigen Zeiten. Und davon hat auch sie einige erlebt.

Im November 1963, damals 17 Jahre alt, übersah sie ein Stoppschild und prallte mit dem Wagen eines gleichaltrigen Mitschülers zusammen. Der junge Mann, einer von Laura Bushs engen Freunden und Star-Athlet der örtlichen High School, war sofort tot. Gesprochen hat Laura Bush über diesen Unfall, der ihr Leben veränderte und ihr Wesen geprägt hat, nie. Aber sie schrieb darüber, ein einziges Mal. In ihren Memoiren „Spoken from the Heart“, die sie im Mai 2010 veröffentlichte, gestand sie den Lesern, noch Jahre nach dem Unfall an Schuldgefühlen gelitten zu haben. „Vor allem, weil ich auf Anraten meiner Eltern nicht an der Trauerfeier teilgenommen hatte.“ Der Vorfall habe ihren Glauben erschüttert, aber sie habe – und das hört man im „Bible Belt“ gern – zu Gott zurückgefunden.

Politische Krisen hat sie natürlich auch erlebt – und die Kritik an ihrem Mann in dessen achtjähriger Amtszeit. Ob sie die Zeit im Weißen Haus vermisse? „Na ja“, sagt sie und lacht, „vor allem vermisse ich den Koch. Glauben Sie mir: George tut das noch mehr, denn ich koche nicht gerade grandios.“ Überhaupt sei das Verhältnis zu den Angestellten in Washington herzlich, geradezu familiär gewesen. „Die Pförtner, die Butler – wir kannten sie doch alle schon, als wir einzogen.“ Die meisten von ihnen hatten schon bei ihren Schwiegereltern, bei Präsident Bush senior und seiner Barbara, gedient.

Den „Nachmietern“, der Familie Obama, haben die Bushs das Weiße Haus gezeigt. Intensiv ausgetauscht hätten sich an jenem Nachmittag nicht nur die Eltern, sondern vor allem die „First Daughters“, erinnert sich Laura Bush, während sie in einem fensterlosen Aufenthaltsraum der Arena (keine weißen Orchideen oder andere Sonderwünsche, nicht einmal Kaffee oder Wasser) auf ihren Auftritt wartet. „Meine Töchter waren ja als kleine Mädchen oft bei den Großeltern zu Besuch. Insofern konnten sie Malia und Sasha natürlich verraten, über welches Treppengeländer es sich am besten rutscht, wo die besten Verstecke sind und all die anderen Dinge, die Kinder im Weißen Haus interessieren.“

Die Familien hätten immer wieder Kontakt, erst vor wenigen Tagen habe sie Michelle Obama auf der „First Ladies“-Konferenz in Afrika getroffen. Auch im April, zur Eröffnung der George-W.-Bush-Bibliothek, einem Museum und Forschungszentrum in Dallas, sei der amtierende Präsident mit Frau gekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei leider verhindert gewesen, habe aber am Morgen der Eröffnung bei „Präsident George“ angerufen. „Wir schätzen sie sehr“, sagt Laura Bush. „Ich mag Angela Merkel persönlich sehr.“ Die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien, unabhängig von aktuellen Geschehnissen, unverändert stark, sagt die 66-Jährige.

Treffen wird Laura Bush die Kanzlerin bei diesem kurzen Deutschlandbesuch nicht. Schon am heutigen Montag fliegt sie („Zum Glück gibt es ab Frankfurt eine Nonstop-Verbindung nach Dallas“) zurück in die USA. Eine Führung durch das Hamburger Rathaus stehe nach der Rede noch auf ihrem Programm, sagte sie am Sonntagmorgen. Was sie sich sonst noch unbedingt anschauen sollte, fragte sie so unverkrampft und fröhlich, als säße sie mit einer Freundin auf dem schwarzen Ledersofa. Die HafenCity klinge interessant, und von der Elbphilharmonie habe sie auch schon gehört. Aber eines interessierte Laura Bush noch mehr. Etwas, das die frühere First Lady zumindest bei Frauen noch sympathischer macht. „Wo kann ich denn in der Stadt richtig gut shoppen?“, fragt sie. Man ahnt schon, dass die Antwort eine Enttäuschung wird. Eigentlich fast überall, nur nirgends am Sonntag.

„Macht nichts. I‘ll be back.“