Der Rezeptionsbereich der Davidwache ist das Fangbecken der Betrogenen, Enttäuschten und Betrunkenen. Was Hamburgs Polizisten an ihrem Arbeitsplatz in der Davidwache alles erleben.

Hallo“, ruft die junge Frau mit der türkisen Schleife im Haar, „ich möchte mein Handy als vermisst melden.“ Sie kichert. Und auch Polizeiobermeisterin Ulrike Hoeborn muss wegen der ungewöhnlichen Diebstahlsanzeige lachen.

Sonnabend, halb neun Uhr abends. Schlagermove. Draußen wummern immer noch Schlager über die Reeperbahn, 400 Polizisten sind im Einsatz.

Der Rezeptionsbereich der Davidwache ist das Fangbecken der Betrogenen, Enttäuschten und Betrunkenen. Heute gehen hier die meisten Anzeigen des Jahres ein.

„Ich habe meinen Haustürschlüssel verloren.“ Die alte Dame ist verzweifelt.

Ulrike Hoeborn schaut sich erst mal die weiße Handtasche an, dann fragt sie, ob es okay ist, wenn sie mal in die Jacke der Dame fasst. Die Polizistin hat Plastikhandschuhe an. Es ist okay. Leider kein Schlüssel drin. Die Frau kommt jetzt nicht in ihre Wohnung. Sie muss zu ihrer Tochter fahren. Nach Neumünster.

Bis 21 Uhr ist die Zeit der gestohlenen Handys. Eine Amerikanerin kommt weinend an die Rezeption. Ihr ist nicht ein Handy abhandengekommen, sondern gleich zwei. Ein Samsung und ein Blackberry. Eine Frau, etwa 50 Jahre alt, meldet mit schwerer Zunge, dass ihr beim Telefonieren das Telefon aus der Hand gerissen wurde. Auch eine Blondine vermisst ihr iPhone. Welche Farbe? „Schwarz. Äh. Warte mal. Weiß. So’n Mega-Idiot, der kam von hinten angeflitzt, während ich telefoniert habe, und hat mir das Telefon aus der Hand gerissen. Ey, wie asozial.“ Auch eine Frau mit Blümchenhut meldet, dass ihr Samsung Galaxy S4 aus der geschlossenen Handtasche geklaut wurde.

Vorname, Nachname, Adresse. Die Beamten tippen alles in den Computer. Wer sein Handy noch nicht hat sperren lassen, kann das mit dem Polizeitelefon machen. „Was muss ich jetzt sagen?“, fragt die angeschickerte Frau in den 50ern. Polizeihauptkommissar Lars Eggers souffliert trocken: „Hallo, mein Handy wurde geklaut.“

20.55 Uhr: „Grüezi, ich hab vorhin vorm Burger King eine Auseinandersetzung mit einem Spinner gehabt und dabei meine Uhr verloren.“ Der junge Mann sieht so aus, als ob er dieser Auseinandersetzung durchaus gewachsen war. Er hält einen abgefetzten Teil eines Metall-Armbands in der Hand. Seine Uhr ist nicht aufgegeben worden. Die Fundsachen liegen auf einem Aktenschrank. Handys, Geldbeutel, ein pinker Rucksack. „Kann man nichts machen.“ Er geht.

Um 21 Uhr kommen zwei Rettungsdienstkollegen rein, sie haben einen Personalausweis gefunden. Er kommt zu den anderen Fundsachen, später in Sammelboxen, dann ins Fundbüro.

„Ich muss Pipi!“ Eine Frau mit zwei Sonnenblumen im Haar steht vorm Tresen. „Da sind doch sechs Milliarden Dixie-Klos, da draußen“, entgegnen die Polizisten. Die Frau scheint dann doch nicht so dringend zu müssen. Sie diskutiert ausdauernd. Sagt, dass sie aus Nürnberg sei und es echt toll fände, mal in der berühmten Davidwache aufs Klo zu gehen. Dann probiert sie, einfach durch die Schwingtür hinter den Tresen zu gehen. Ulrike Hoeborn hält sie auf. „Okay, tschüs“, sagt die Nürnbergerin und wankt raus.

Zwei Touristen aus Rostock. Er mit schwarzer, sie mit pinkfarbener Perücke. Sie sind hier, weil sie immer schon mal die Davidwache sehen wollten. Sie haben Weißwein mitgebracht. „Ich wollte mal Polizist werden“, sagt der Mann. Die Polizisten nicken. Dann gehen die Touristen wieder, den Wein nehmen sie mit. „Schönen Aufenthalt“, ruft Hoeborn hinterher.

„Habt ihr vielleicht `ne Toilette?“, sagt ein Mann mit orangefarbenem Hut. Die wohl am meisten gestellte Frage. „Nee.“

„Ich hab meine Gruppe verloren“, sagt eine junge Frau. Sie darf ihrer Gruppe mit dem Telefon der Davidwache hinterhertelefonieren.

Ein Mann mit Sonnenbrille meldet eine Schlägerei.

Ein Mann mit hellem Hut gibt ein Portemonnaie ab.

Der Umgangston im Raum ist meistens locker. Aber dann wird es plötzlich richtig ernst. Ein paar Kinder melden, dass ihre Freundin, sie ist zwölf, von ihrem Vater geschlagen wird. Jetzt hat sie gesagt, dass sie sich umbringen will. Die Beamten finden die Familie nicht im System. Vielleicht sind sie nicht gemeldet. Ermittlungen werden eingeleitet. Die Kinder haben Angst, dass sie jetzt auch Ärger mit dem Vater ihrer Freundin bekommen. „Ihr braucht keine Angst zu haben“, sagt Ulrike Hoeborn.

21.30 Uhr, die beiden Jungs kommen aus Hildesheim. Der eine hat einen Lachkrampf, der andere wirkt niedergeschlagen. „Wie kann man nur so blöd sein!“, ruft der Feixende und zeigt auf seinen Kumpel. Es sollte ein aufregender Ausflug sein. Und das ist es auch geworden. Da war diese sexy Dame auf der sündigen Meile, die dem Niedergeschlagenen ihre Dienste feilbot, er ließ sich verführen. Er zahlte 30 Euro und bekam auch etwas dafür. Aber dann wollte er mehr. Die Dame verlangte nach seiner EC-Karte und der PIN. Sein männlicher Drang war größer als der Verstand. „Sie hat gesagt, dass sie nur 30 Euro abheben will“, sagt der Betrogene, er blickt Hoeborn hoffnungsvoll an. „Wenn das mal geklappt hat“, sagt die.

Sein Kumpel will sich gar nicht mehr einkriegen und informiert per Handy gleich den Freundeskreis. Eigentlich war es der Geneppte, der vor dem Trip den nun feixenden Freund gewarnt hatte. Jetzt hat er den Schaden und klagt: „Ich habe ihm 20-mal gesagt: Lass die Finger von den Nutten in Hamburg.“ Jetzt hat er selbst sich die Finger verbrannt. Der Betrogene wollte eigentlich auch gar nicht nach Hamburg. Er wollte nicht so weit fort von Hildesheim. Er wollte lieber nach Hannover.