Gesetz verschärft: Bei nicht bezahlten Steuern oder Knöllchen drohen Kontopfändungen

Hamburg. Falsch geparkt, zu schnell gefahren, den Hund nicht angeleint, Rundfunkgebühren oder Steuern nicht bezahlt – es gibt viele Gründe, warum der Staat Strafen verhängt und finanzielle Forderungen an die Bürger richtet. Auf diejenigen, die es mit dem Begleichen solcher Schulden nicht so genau nehmen, kommen in Hamburg härtere Zeiten zu. Denn der Senat hat erstmals seit mehr als 50 Jahren das „Verwaltungsvollstreckungsgesetz“ überarbeitet. Ziel der Neuregelung ist es, Forderungen effektiver eintreiben zu können. Eine halbe Million Euro Mehreinnahmen pro Jahr erhofft sich der Senat davon. Die Änderungen sind bereits am 1. Juni in Kraft getreten.

Das alte Gesetz war vor allem auf die Pfändung von Gegenständen ausgelegt und daher nicht mehr zeitgemäß. Denn statt den guten alten „Kuckuck“ auf Fernseher oder Möbel aufzukleben, setzen Gläubiger wie die Stadt mittlerweile vor allem auf Konto- oder Gehaltspfändungen, um Schuldner zum Zahlen zu bewegen. Mit der Neufassung des Gesetzes erhalten die Behörden die Möglichkeit, „zur Vorbereitung der Vollstreckung“, wie es im Text heißt, einfacher und schneller die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Schuldnern zu ermitteln. „Die bisherigen gesetzlichen Grundlagen der Vollstreckung waren unübersichtlich und in wesentlichen Teilen veraltet“, sagte Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD). Jetzt habe Hamburg ein modernes und anwenderfreundliches Gesetz, das eine rechtssichere und praxisgerechte Vollstreckung ermöglicht. „Die Verwaltungsabläufe werden einfacher. Forderungen Hamburgs können effizienter beigetrieben werden“, so Schiedek.

Dem stimmt auch CDU-Rechtsexperte André Trepoll zu: „Das Gesetz ist ein wichtiges Hilfsmittel für die Behörden. Und es ist vernünftig, dass es regelmäßig gesellschaftlichen Entwicklungen und dem Stand der Technik angepasst wird.“ Allerdings müsse man nun abwarten, ob sich die Neuregelungen bewähren.

Die Stadt hat an der Überarbeitung auch ein finanzielles Interesse. Denn die Zahl der „Vollstreckungsersuchen“ hat sich in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich erhöht – von rund 114.000 im Jahr 2009 auf etwa 140.000 im vergangenen Jahr. Bei einer durchschnittlichen Forderungshöhe von 186 Euro sind inzwischen Außenstände von 24 Millionen Euro aufgelaufen, so die Finanzbehörde, der die Kasse Hamburg als „Vollstreckungsbehörde“ untersteht. 2012 wurden für die hamburgischen Behörden und Ämter rund 4,7Millionen Euro eingetrieben. Hinzu kamen weitere 6,3 Millionen Euro, die die Stadt im Auftrag anderer Gläubiger eingezogen hat.

Nach Auskunft der Justizbehörde ist damit zu rechnen, dass die effizienteren Vollstreckungsmöglichkeiten auch die Erfolgsquote von derzeit etwa 40 auf 45Prozent erhöhen werden.

Zu den wichtigsten Neuerungen gehört die Erhöhung des Zwangsgeldrahmens von 25.000 auf eine Million Euro. Hintergrund ist, dass in einigen Branchen wie dem Glücksspielsektor Zwangsgelder bis 25.000 Euro kaum eine abschreckende Wirkung haben. Zudem ist es künftig möglich, auch ausländische Schiffe und Flugzeuge zu pfänden – für einen internationalen Schifffahrt- und Luftfahrtstandort wie Hamburg eine bedeutende Änderung.

Die weitreichendste Folge des neuen „Verwaltungsvollstreckungsgesetzes“ dürfte die vereinfachte Ermittlung der Vermögensverhältnisse eines Schuldners sein. So darf neuerdings die Gläubigerbehörde der Vollstreckungsbehörde ihr bekannte Daten gleich mit übermitteln. Beispiel: Die Innenbehörde fordert die Kasse Hamburg auf, Geld von einem Falschparker einzutreiben, der sein „Knöllchen“ nicht bezahlen will. Hat sie bereits Daten der Person aus anderen Verfahren, zum Beispiel die Kontoverbindung, darf sie diese der Kasse gleich mitmelden – dann muss diese die Daten nicht erst aufwendig ermitteln. Ebenso ist die Kasse Hamburg mit ihren 80 Mitarbeitern befugt, Daten, die ihr ohnehin im Zusammenhang mit Steuerfragen bekannt wurden, zum Eintreiben anderer Forderungen zu verwenden.

Die Justizbehörde betont allerdings, dass dies kein Freifahrtschein zum Datenaustausch zwischen den Behörden sei. Wer also einmal an irgendeiner Stelle der Verwaltung seine Kontonummer angegeben hat, müsse nicht befürchten, dass die automatisch auch von anderen Behörden zum Einzug von Forderungen genutzt wird.

Grundsätzlich gilt, dass zunächst der Schuldner verpflichtet ist, Auskünfte zu seinen Vermögensverhältnissen zu erteilen. Dritte zu befragen, also etwa Banken oder Versicherungen, sei „erst dann zulässig, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die pflichtige Person nicht zum Erfolg geführt hat“, so die Drucksache des Senats. „Die Vermögensermittlung kann im Einzelfall erheblich in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der pflichtigen Person eingreifen“, heißt es. „Deshalb ist bei jeder Datenerhebung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.“ In dem Zusammenhang seien unter anderem die Höhe der Forderung, die Beharrlichkeit der Zahlungsverweigerung und die Frage, ob es sich um einen Wiederholungsfall handelt, zu berücksichtigen.

Eine richterliche Entscheidung, um etwa ein Konto pfänden zu dürfen, brauchen die Behörden allerdings nicht – staatliche Stellen dürften sich so einen „Titel“ nach Auskunft der Justizbehörde quasi selbst ausstellen. Im Gegensatz dazu wird die Wohnung besonders geschützt: Das neue Gesetz, das nur noch aus 40 statt bislang 78 Paragrafen besteht, erlaubt Wohnungsdurchsuchungen ausdrücklich nur nach Beschluss eines Richters.