Zu Fuß sind die Wege zu lang, mit dem Auto übersieht man die interessanten Ecken: Bei einem rund 30 Kilometer langen Fahrrad-Törn durch den Hafen lässt sich dieses unbekannte Land entdecken, empfiehlt Axel Tiedemann.

Manche Städte haben einen riesigen Dom, die Berge gleich um die Ecke oder weite Strände am Meer. Hamburg hat seinen Hafen. Ein Industriegebiet eigentlich, gut 73 Quadratkilometer groß und damit immerhin zehn Prozent des gesamten Stadtgebietes. Landungsbrücken, einige Museen und Stichfahrten mit den Rundfahrtbarkassen: Das gehört zum Standard-Ausflugsprogramm.

Doch wie sieht es dahinter aus, tief im Land der großen Schiffe, Speicher, Hallen, Schlote? Dort, wo wochentags Truckerland ist, wo schwere Güterzüge über Brücken und Dämme poltern. Wo es mal nach Kaffee riecht, dann nach Getreide oder auch Öl. Wo es knirscht und knarzt und quietscht und rummelt, wenn die Container aus aller Welt verladen werden. Es ist ein unbekanntes Land, das überraschender Weise auch von vielen Radwegen durchzogen ist. Gerade an den eher ruhigen Wochenenden oder an Sommerabenden gibt es kaum eine bessere Möglichkeit zur Expedition dieses weitläufigen Areals als auf dem Rad. Rund 30 Kilometer lang ist ein Rundtörn mit kleinen Schlenkern, bei dem der Radfahrer den Hafen so erleben kann – wie es die Ausflügler am Hafenrand niemals können.

Die besten Ausflugstipps des Hamburger Abendblatts



1. Alter Elbtunnel

Zum Start der Hafenradtour geht es nicht über die Elbe, sondern darunter durch den Alten Elbtunnel: Derzeit ist nur die 430 Meter lange Weströhre des gut 102 Jahre alten Bauwerks frei, die andere wird saniert. Wochentags gilt hier auf der Tunnelstraße ein wechselnder Einbahnverkehr: morgens Richtung Hafen, abends Richtung Innenstadt. Wer als Radler anderes herum passieren will, muss sein Rad auf dem Gehweg schieben – am Wochenende ist der Tunnel aber autofrei und man kann in beide Richtungen radeln. 24 Meter unter der Elbe ist es hier an heißen Tagen angenehm kühl und dort lohnt ein Blick auf die wundervollen alten und glasierten Kacheln, die das Licht der Lampen auf stimmungsvolle Weise brechen. Steinreliefs sind eingebettet, die Muscheln, Fische, aber auch Hummer oder Seehunde zeigen – alles Tiere, die zu seiner Bauzeit noch typisch für die Elbe waren. 1911 war der Alte Elbtunnel eine technische Sensation und sollte vor allem den Hafenarbeitern einen schnellen Weg zum Job bieten. Seine ungewöhnliche Höhe erklärt sich damit, dass damals eine Kutsche mit aufgesetzter Peitsche hindurchpassen musste.

2. Eine Brücke nur für Radfahrer

Auf Steinwerder Seite geht es nun für Radfahrer flott voran. Knapp zwei Kilometer lang ist hier ein neuer, sehr breiter Radweg entlang der Hermann-Blohm-Straße. Rechts sieht man oft große Schiffe in den Docks der traditionsreichen Werft Blohm+Voss. Am Ende der Straße folgt man der Radwegbeschilderung Richtung Wilhelmsburg, überquert die „Hafen-Autobahn“ Veddeler Damm und ist schon auf dem Radweg an der Klütjenfelder Hochstraße. Für mehr als eine Million Euro wurde diese Stahlkonstruktion nachträglich an das Bauwerk gehängt. Auf der rauen Kunststofffahrbahn aus einzelnen Segmenten fährt es sich wunderbar – sodass hier ein Schlenker lohnt, um die neue Radbrücke glatt noch einmal zu fahren.

3. Spreehafen

Der Hafen ist seit Jahresbeginn kein Freihafen mehr, noch stehen aber die alten Zollgebäude. Am ehemaligen Zolldurchlass an der Ernst-August-Schleuse biegt unsere Tour nach links zum Spreehafen. Ursprünglich war dieses große seeartige Hafenbecken ein Überwinterungsquartier für Binnenschiffe, heute liegen hier etliche bunte Hausboote. Die Menschen dort wohnen aber in einer rechtlichen Grauzone: Erlaubt sind solche „Hafenlieger“ von der Hafenverwaltung nur, wenn es eine „hafenkonforme“ Nutzung gibt. Anwohnerinitiativen und auch Bezirkspolitiker arbeiten daher daran, dieses stimmungsvolle Hafenbecken mehr für eine Freizeitnutzung zu öffnen.

4. Hafenmuseum

Ein breiter Weg führt am Spreehafen vorbei bis zur S-Bahn Veddel, dort geht es zur Unterführung, dann kurz nach links – und schon ist das Hafenmuseum erreicht: Hier lässt sich erleben, wie der Hafen um 1960 ausgesehen hat, als noch nicht die Container die Warenströme beherrschten: In der originalen Kaffeeklappe kann man sich mit Kaffee und Kuchen die erste Pause gönnen. Von der Kaikante hat man zudem einen guten Blick auf die andere Seite des Hafenbeckens: Dort machen im hinteren Teil die schlanken, meist weißen Kühlschiffe fest, die Bananen bringen. Vorne liegen die klobigen Autofrachter, die neue Audis, BMW oder Mercedes in den Nahen Osten oder alte Schrott-Autos nach Afrika schippern. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10–18 Uhr.

5. Jenseits vom Afrikahöft

Zurück zur Fahrradhochbrücke, bei diesem Schlenker lohnt eine Stippvisite zu einem sehr versteckten, aber auch sehr eindrucksvollen Aussichtspunkt: Das Afrikahöft ist eine kleine, unbebaute Landzunge mit Wiese, Büschen und niedrigen Bäumen direkt am Wasser. Ein Picknickplatz mitten im Hafen mit fantastischem Blick auf Innenstadt und HafenCity. Zu erreichen über die Straßen Am Windhukkai und Afrikastraße.

6. Reiherstieg

Nach dem Schlenker führt die Tour wieder über die Hochbrücke nach Süden. Dann rechts auf einer Klappbrücke über den Reiherstieg zur alten Rethe-Hubbrücke, die 1932 gebaut wurde und am Ende ihrer Lebenszeit ist. Derzeit wird hier eine neue Klappbrücke gebaut, die die größte ihrer Art in Europa werden wird. Das Mittelteil der alten Brücke kann 42 Meter hoch angehoben werden – um Massengutfrachtern den Weg in diesen Seitenarm der Elbe zu ermöglichen. Hier am Reiherstieg liegen vor allem die großen Getreidesilos.

7. Kattwykbrücke

Weiter geht es über die Hohe-Schaar-Straße und dann scharf rechts zur Kattwykbrücke, die über die Süderelbe führt. Leuchttafeln zeigen an, wann sie für die Schifffahrt geöffnet wird. Wer eine Passage erleben möchte: Zu jeder geraden vollen Stunde öffnet sie für kleine Frachter und Segelyachten, also immer um 14 Uhr, 16 Uhr und so weiter. Die 290 Meter lange Brücke ist seit 1973 in Betrieb und hat eine Hubhöhe von 48 Metern. Auch schwere Güterzüge rumpeln über die Querung, weswegen die Konstruktion schon arg angegriffen ist. Pläne für eine neue gibt es, die Finanzierung ist aber noch unklar. Links neben der Brücke sieht man das neue und heftig umstrittene Kraftwerk Moorburg, das gerade in Probebetrieb ist und wie eine Kathedrale des endenden Kohlezeitalters wirkt. Rechts neben der Brücke fällt der Blick auf Europas modernstes Containerterminal Altenwerder.

8. Terminal Altenwerder

Wegen der strengen Sicherheitsvorschriften kann man so ein Terminal nicht einfach betreten, aber man kommt sehr nah ran: Gegenüber vom Kraftwerk führt die Strecke dazu nach Moorburg, einst ein stolzes Bauern- und Ausflugsdorf, das durch Hafenerweiterung, Schlickhügel und Autobahnen heute geradezu umzingelt ist. Gegenüber vom Kindergarten führt ein kleiner Weg zu einem mit Büschen bewachsenen Hügel, der durch die Ausbaggerung des Altenwerder Terminals entstanden ist. Von dort hat man einen fantastischen und dichten Blick auf das erst 2002 eingeweihte Hafengelände, wo vollautomatische Container-Transporter computergesteuert übers Gelände fahren: Blinken, Flackern, Quietschen – das ist Hafen pur und am besten im Dämmerlicht zu erleben.

9. Altenwerder Kirche

Altenwerder selbst war einmal ein Fischerdorf. Geblieben davon ist nur die alte Kirche, die bei dieser Tour an der Wegstrecke liegt. In Moorburg geht es unter der Autobahn hindurch und dann rechts auf den Radweg an der Waltershofer Straße. Rechts zweigt nach einigen Kilometern der Altenwerder Hauptdeich ab, über den man zu der einsamen Kirche gelangt.

10. Güterbahnhof Süderelbe

Zuvor radelt man am Güterbahnhof Alte Süderelbe vorbei, der so etwas wie ein Hauptbahnhof der Hafenbahn ist. Auf vielen Gleisanlagen werden die Züge für verschiedene Ziele zusammengestellt, mit denen Waren vom oder zum Hafen transportiert werden. Der Hamburger Hafen gilt als größter Eisenbahnhafen Europas: 300 Kilometer ist das Gleisnetz hier, 200 Züge (davon 125 Containerzüge) rollen täglich mit rund 5000 Waggons darüber.

11. Abstecher Harburg

Statt über die Kattwykbrücke zu fahren, kann man auch geradeaus vom Reiherstieg radeln und einen Abstecher nach Harburg unternehmen. Über die Alte Harburger Elbbrücke geht es in den Harburger Binnenhafen. Hier stand einst das Harburger Schloss, aus den Burggräben wurden im Laufe der Industrialisierung Hafenbecken. Seit den 1990er-Jahren hat sich hier ein beeindruckender Mix aus alten Hafenanlagen, Werften, Hausbooten, Schiffen, neuen Bürotürmen und noch neueren Wohnhäusern gebildet. Mittendrin liegt der Beach-Club Veritas Beach – ideal für eine Pause.

12. Finkenwerder

Die eigentliche Rundtour führt über die Finkenwerder Straße nach Finkenwerder, wo sie am Fähranleger endet. Kurz vor dem Ort biegt man rechts in den Auedeich ab. Rechts liegen Köhlfleet und Finkenwerder Vorhafen, wo Binnenschiffe auf ihre Abfertigung im gegenüberliegenden Stahlwerk warten können. Die Strecke selbst führt zum „Dampferanleger“, wo die Hadag-Fähren zu den Landungsbrücken ablegen. Die Schiffe verkehren im 15-Minuten-Takt.

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