Rolf Hunck scheidet nach 50 Jahren bei der Deutschen Bank Hamburg aus. Sein Rat bleibt gefragt, zum Beispiel bei Ex-Kanzler Helmut Schmidt.

Hamburg. Banker lassen sich von Zahlen nicht leicht beeindrucken. Diese aber dürfte manchen jungen Branchenkollegen staunen lassen: 50 Jahre lang hat der Hamburger Rolf Hunck für die Deutsche Bank gearbeitet, wenn auch die letzten drei Jahre nur noch mit einem Beratervertrag. Nun jedoch ist wirklich Schluss: "Den Hausausweis für die Bankgebäude in Hamburg und Frankfurt habe ich abgegeben", sagt Hunck. Der Sohn eines Kapitäns hat seinen Berufsweg in der Filiale Eppendorf begonnen, war seit 1993 Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank Hamburg und gehörte außerdem dem Leitungsgremium für das gesamte Geschäft mit vermögenden Privatkunden in Deutschland an.

Mit manchen seiner früheren Kunden steht Hunck noch immer in regelmäßigem Kontakt. Das gilt auch für den berühmtesten unter ihnen: Mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt tauscht sich der langjährige Banker gelegentlich über Fragen der Finanzmärkte und der Geldanlage aus.

Der Kapitalmarkt bleibt ohnehin Huncks Leidenschaft. Auf dem iPad verfolgt er die Entwicklung an den Weltbörsen. Für ihn ist das keineswegs nur ein Hobby. Denn seine Erfahrungen und Kontakte bleiben gefragt, an drei Tagen pro Woche arbeitet er weiterhin. Dazu muss sich Hunck nicht zwingen: "Ich habe keine Lust, dreimal wöchentlich Golf zu spielen."

So hält er nicht weniger als 13 Mandate bei Stiftungen und gemeinnützigen Einrichtungen. Bei der Hartog-Stiftung ist er der Vorstandsvorsitzende, außerdem sitzt er im Vorstand des Freundeskreises Elbphilharmonie + Laeiszhalle, im Stiftungsrat der Kühne-Stiftung und im Beirat von Children for Tomorrow, einer von der Tennislegende Steffi Graf gegründeten Stiftung, die sich für traumatisierte Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten einsetzt.

Hunck empfindet die neuen Erfahrungen, die er bei seiner Arbeit für die verschiedenen Stiftungen macht, als menschlich bereichernd: "Plötzlich muss ich mich mit dem Thema Jugendgewalt und Musik beschäftigen. Es ist erstaunlich: Am Montag prügeln sich die Jungs noch, am Mittwoch, nachdem sie zusammen ein Stück einüben, tut das nur noch die Hälfte - und am Wochenende bei der Aufführung verstehen sich alle bestens."

Zwar wird Hunck von seinen früheren Kollegen bei der Deutschen Bank noch manchmal um Rat gefragt. Für ihn ist aber klar: "Man muss den jungen Leuten das Feld überlassen. Sie machen die Sachen anders als ich." Und noch etwas ist ihm bewusst, wenn er auf seine Karriere zurückblickt: "So viel Glück, wie ich es hatte, wird heute keiner mehr haben. Ich habe praktisch nur Wachstum und Wege nach oben kennengelernt" - und das verbunden mit einem hohen Ansehen seines Berufes. Das änderte sich erst gegen Ende seiner Laufbahn während der Finanzkrise. Hunck macht sich in dieser Hinsicht keine Illusionen: "Das alte Standing wie vor 20 oder 30 Jahren werden Banker nicht wieder erreichen." Dies sei nicht zuletzt eine Folge der veränderten Wertevorstellungen durch die Internationalisierung der Branche. In der Deutschen Bank hat der Hamburger diesen Wandel ganz direkt erlebt: "Die deutsche und die angelsächsisch geprägte Unternehmenskultur müssen sich die Waage halten. Aber zeitweise hatte die angelsächsische Kultur klar die Oberhand gewonnen." Solche Veränderungen wirkten sich auch im Arbeitsalltag aus: "Wenn früher einer meiner Mitarbeiter außergewöhnlich gute Zahlen lieferte, habe ich mir besonders gut angesehen, ob er das vielleicht durch höhere Risiken erreicht hat. Wenn aber eher kurzfristig gedacht wird, tut man das nicht mehr unbedingt." Heute würden solche Kontrollsysteme allerdings an vielen Stellen wieder eingeführt.

Außerdem habe die zunehmende Internationalität, erlangt durch globale Expansion und durch Zukäufe, die einst vom Vorstand hochgehaltene Moral unterlaufen: "Man kann eine weltweit tätige Bank nicht mehr so prägen, wie ein Hermann Josef Abs die Deutsche Bank in den 1960er-Jahren geprägt hat." In der Ära Josef Ackermann stand die Bank immer wieder in der Kritik: "Das Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess hat schon wehgetan, als Berater wurden wir natürlich von den Kunden darauf angesprochen." Auch später wäre Ackermann nach Auffassung von Hunck manchmal besser beraten gewesen, wenn er sich stärker zurückgehalten hätte. In der Öffentlichkeit werde allerdings zu wenig anerkannt, was Ackermann geleistet habe, um zusammen mit der damaligen Bundesregierung die Finanzkrise in Deutschland unter Kontrolle zu bringen.

Sehr zufrieden ist Hunck mit der aktuellen Doppelspitze Anshu Jain und Jürgen Fitschen: "Es kommt jetzt darauf an, die Globalisierung noch besser zu verstehen. Jain ist der richtige Mann, um neue Strömungen in Asien und in Amerika rechtzeitig zu erkennen."

Politiker kommen im Urteil des Ex-Managers nicht so gut weg: "Ich rege mich immer wieder darüber auf, wie negativ sie sich über Großbanken äußern - offenbar weil sie glauben, dass das bei Wählern gut ankommt." Dabei brauche Deutschland ein international aktives Kreditinstitut: "Was wären VW oder BASF ohne die Deutsche Bank?"

Ebenso wenig gefällt Hunck die Haushaltspolitik der Bundesregierung. Denn der Staat baue trotz üppig sprudelnder Steuereinnahmen und niedriger Zinsen die Schulden nicht ab, "wie das jede Privatperson und jedes Unternehmen tun müsste". Hunck befürchtet zwar nicht, dass der Euro scheitert. "Ich glaube aber auch nicht, dass alle jetzigen Euro-Staaten in zehn Jahren noch dazugehören."

Obwohl er nicht davon ausgeht, dass die Krise schon bewältigt ist, hat der Kapitalmarktexperte sein eigenes Vermögens schwerpunktmäßig in Aktien angelegt - allerdings zumeist in Papiere weltweit aktiver Unternehmen, die nicht allein auf das Geschäft in Europa angewiesen sind. Auch wenn der Markt "kurzfristig etwas zu heiß gelaufen" erscheine, gebe es auf längere Sicht keine sinnvolle Alternative zur Aktie.

Doch auch in Wohnimmobilien hat Hunck investiert: In Seevetal lebt er mit seiner Frau und den drei inzwischen erwachsenen Kindern sowie deren jeweiligen Partnern auf dem gleichen Grundstück. Am liebsten hätte er sie alle unter einem Dach, so wie er das in der Fernsehserie "Diese Drombuschs" gesehen hatte, aber das war den Kindern doch zu viel Nähe. So hat man verabredet, vor gegenseitigen Besuchen telefonisch anzufragen, ob es gerade passt. Einmal pro Woche setzen sich die acht Familienmitglieder an einem großen Gesindetisch zusammen. Hunck freut sich schon sichtlich auf das erste Enkelkind, das in den nächsten Wochen kommen soll: "Ich hoffe ja, dass unsere beiden anderen Kinder dadurch motiviert werden, bald nachzuziehen."