Weniger Jugendliche - Senat reformiert duale Ausbildung und plant Fusionen. Schulsenator Ties Rabe will mit der Reform das Berufsbildungssystem leistungsfähiger machen.

Hamburg . Als die große Reform der allgemeinbildenden Schulen anstand, Stadtteilschulen geschaffen und Standorte neu geordnet wurden, tobte in Hamburg ein heftiger Streit. Nun steht die umfassende Reform der Berufsschulen unmittelbar bevor - nur passiert das weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit. Nur da, wo es knirscht, wo Berufs- oder Handelsschulen mit anderen fusionieren oder gar Standorte geschlossen werden, melden sich die Akteure empört zu Wort. Dabei werden die Pläne 32 der 44 berufsbildenden Schulen direkt tangieren.

Schulsenator Ties Rabe will mit der Reform das Berufsbildungssystem leistungsfähiger machen, um junge Menschen besser und früher in Ausbildung und Beruf zu bringen und möglichst alle der insgesamt 2487 Berufsausbildungen im Dualen System weiterhin in Hamburg anbieten zu können. "Wenn wir nichts tun würden, müssten in den kommenden Jahren fünf bis zehn Schulen geschlossen werden", sagt Rainer Schulz, Leiter des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung (HIBB).

Die Zahl der Berufsschüler ist deutlich gesunken - seit 2009 von 59.800 auf jetzt 54.700. Und auf diesem Niveau werden die Zahlen bleiben, sagt Schulz. Deshalb sollen Bildungsgänge konzentriert und durch die Fusion von Schulen Kompetenzen gebündelt werden. 139 Berufsausbildungen haben pro Jahrgang weniger Schüler, als üblicherweise in einer Klasse sind. Erste Ausbildungsangebote wie Zahntechnik drohten nach Neumünster verlegt zu werden. Hamburg will sie halten.

Dass es bei der Reform auch um Einsparungen geht, weist die Behörde zurück. Allenfalls sollen das bereitstehende Geld effizienter genutzt werden. Mithilfe eines 300 Millionen Euro schweren Bauprogramms, das die Errichtung von 15 Neubauten ermöglicht, werden die Berufsschulen auch räumlich auf einen modernen Stand gebracht. Staatsrat Michael Voges, der die Lenkungsgruppe zur Schulentwicklungsplanung leitet, hat es so formuliert: "Indem wir Bildungsgänge konzentrieren und bereit sind, schulübergreifend zu denken und zu planen, entstehen wertvolle Synergien."

In den kommenden fünf Jahren sollen aus den derzeit 44 berufsbildenden Schulen in der Hansestadt 32 berufliche Schulen werden, sagt Schulz. Das provoziert vor Ort auch erheblichen Widerstand. Am höchsten schlugen die Wellen in der Handelsschule am Holzdamm auf St. Georg, einem Gebäude in Traumlage direkt neben dem Hotel Atlantic. In einem Protestbrief wehrte sich das Kollegium gegen den Umzug der etwa 1300 Berufsschüler aus dem 1874 errichteten Altbau in ein neues Schulzentrum an der Anckelmannstraße. Finanzielle Erwägungen - im Zusammenhang mit einem Verkauf des Filetgrundstücks in Alsternähe - spielten keinerlei Rolle, weist der Senat Spekulationen zurück. Der Holzdamm sei auf Dauer zu groß für die Handelsschule. Stark umstritten sind auch die Pläne für die Berufliche Schule Uferstraße (W2) in Barmbek-Süd, die mit der Nachbarschule FSP1 zum Fachschulzentrum Sozialpädagogik zusammengeführt werden soll.

Ärger gibt es aber weiterhin im Süden Hamburgs, wo die Staatliche Schule Sozialpädagogik (W5) am Alten Postweg in Heimfeld bis 2016 mit der Staatlichen Handelsschule (H10) auf deren Campus im Göhlbachtal fusionieren soll. Angehende Erzieher und Handelsschüler unter einem Dach? Der Personalrat der W5 fürchtet eine Verwässerung und Schwächung der eigenen "qualitativ hochwertigen Arbeit", vom Abbau von Lehrerstellen einmal ganz abgesehen. Die fusionierten Schulen böten eine neue Vielfalt des Lehrangebots und damit Chancen, warb hingegen die Behörde für ihre Pläne.

Eine Reform der Berufsschulen wäre aber nichts ohne eine stärkere Berufsorientierung in Stadtteilschulen, die dafür sorgt, dass sich Jugendliche rechtzeitig über ihren Wunschberuf Gedanken machen. Kernstück des Konzepts ist ein großes Plus an Praxiserfahrung, das die Jugendlichen während ihrer Schulzeit sammeln sollen. Im neunten Jahrgang verbringen sie künftig einen Teil ihrer Zeit in Unternehmen und Betrieben. Rabe stellt es den Schulen frei, ob sie die Jugendlichen einen Tag in der Woche in die Wirtschaft schicken oder der Praxisanteil in mehrwöchigen Blockpraktika organisiert wird. Am Ende der neunten Klasse sollen die Jugendlichen dann unterstützt von ihren Lehrern eine konkrete "Anschlussentscheidung nach Jahrgang 10" fällen, in die auch eine Abiturprognose seitens der Schule einfließt.