Der Zweimaster “Undine“ transportiert im Liniendienst zwischen der Hansestadt und der Nordseeinsel Zement, Möbel, Rum – und Passagiere.

Die weiße Kapitänsmütze sitzt salopp auf dem Kopf, seine Jeans hat er in die Stiefel gestopft. Mit einem Satz ist der drahtige Kapitän auf die Ladeluke gesprungen und gibt seinen acht Passagieren Sicherheitsanweisungen. Der Zweimaster „Undine“ schwankt leicht im Museumshafen von Neumühlen. Man sei auf einem Frachtschiff – und auf einem Segelschiff, betont Torben Hass, ein früherer „Gorch-Fock“-Offizier. Er erklärt die Warnsignale, wo die Schwimmwesten verstaut sind, wo man die Kojen findet und dass man auf der Toilette in dem kleinen Kabuff besser mit einem Eimer Elbwasser nachspülen sollte.

Die in den 1930er-Jahren gebaute „Undine“ ist eben keine „Aida“-Irgendwas, eher Blockhütte als Luxushotel. Handfeste Seefahrt, mit freiem Brückenstand und handbedienten Segeln. Und der einzige als Seeschiff registrierte Frachtsegler in Deutschland. Zum Jahreswechsel hatte Hass das Schiff von einem Jugendprojekt übernommen und damit die Hamburg-Sylt-Linie gegründet. Eine Wiedergeburt der Frachtschifffahrt unter Segeln – das klang ungewöhnlich. Sogar die britische BBC wollte ein Interview. 4000 Mail-Anfragen erreichten den „Undine“-Kapitän nach einem Abendblatt-Bericht über seinen Transportservice nach Sylt und über die Möglichkeit, als Passagier mitzufahren. Zum selben Preis wie Lkw-Speditionen schippert Hass Zement, Möbel und Lebensmittel auf die Nordseeinsel. Zurück geht es mit Strandkörben oder Sylter Mineralwasser.

Schon in Höhe der Elbstrände lässt Hass seine Drei-Mann-Crew die Segel setzen. Mit schwerem Zug rutschen die großen Gaffelbäume hoch, die Passagiere packen mit an, zu dritt zerren wir an den schweren Fallen – und spüren, was handgesegelt meint. Man duzt sich bald, wird Teil der Crew.

Man quatscht und schlürft heißen Tee, vielleicht mit einem Schuss Rum

Plötzlich zieht ein Gewitter auf. Matthias, nautischer Offizier an Bord, schlüpft in sein Ölzeug und steht dann unbeirrt weiter draußen am Steuerrad. Er fährt sonst auf großen Gastankern, für seinen Freund Hass macht er jetzt eine Urlaubsvertretung und scheint die traditionelle Seefahrt zu genießen. Sein Blick geht weit in den Dunst, sucht die Fahrwassertonnen. Wasser perlt von der Mütze. Die anderen verziehen sich in die Messe – eine Art Holzhütte an Deck, in der ein Küchenherd brodelt. Heiko, nautischer Assistent, legt Holz nach, wohlig ist die Wärme. Um den groben Tisch sitzen Mannschaft und Gäste, schnippeln fürs Abendessen Paprika und schälen Kartoffeln. Man quatscht, schlürft heißen Tee, vielleicht mit einem kleinen Schuss Rum. Heiko, ein hoch gewachsener Familienvater aus Flensburg, ist eigentlich Lungenfacharzt. Die Kinder sind bald groß, und er habe seinem Leben eine neue Wendung geben wollen, erzählt er. Jetzt studiert er an der Seefahrtsschule Nautik.

Bald ist der Regen vorbei, die Dämmerung zieht auf. Cuxhaven gleitet vorbei, die „Undine“ rauscht dahin. In dicken Jacken genießen die Passagiere das Panorama oder wärmen sich am Holzfeuer in der Messe auf. Mit einbrechender Nacht lässt Kapitän Hass die „Undine“ ins Nebenfahrwasser einlaufen, weit weg erscheinen die großen Frachter. Die Crew teilt die Wache ein, auf die Passagiere warten die Kojen im Vorschiff. Kleine, gemütliche Boxen übereinander, die man mit einem Vorhang verschließt. Es rauscht, plätschert, sanft wiegt sich die „Undine“ in der Nordsee.

Am nächsten Morgen behauptet jeder, trotz der Enge wunderbar geschlafen zu haben. Nebel liegt nun über der öligen See, grau ist sie, grau der Himmel – und doch ist der Blick wunderschön. Ein Vogel hat sich auf den Klüverbaum gesetzt. Land in der Nähe? Dann tauchen Sandbänke auf, Seehunde liegen dort, schauen gelangweilt herüber. Immer noch lässt Kapitän Hass segeln, mit kaum drei Knoten schiebt sich die „Undine“ gegen den Ebbstrom. 20 Stunden nach dem Ablegen kommt die Südspitze von Sylt in Sicht. Der Törn ist vorüber, die Bilder vom Vorabend kommen noch einmal in den Sinn. Etwa das hell erleuchtete Kreuzfahrtschiff vor Brunsbüttel. In dicken Regenjacken verpackt, mit heißem Teebecher in der Hand hatten wir den Lichterberg auf dem Wasser von Bord der „Undine“ staunend angesehen. Tanz, Show und Büfett – das würden wohl die Passagiere dort gerade erleben, dachten wir. Niemand von uns hätte da tauschen wollen.