Seit zwei Jahren arbeiten Billstedter Gymnasiasten mit Tablet-Computern und leisten dabei Pionierarbeit. 110 Oberstufenschüler und 25 Lehrer sind mit iPads ausgerüstet.

Hamburg. Sorgt der Computerraum andernorts für Abwechslung im Schulunterricht, gehört er im Kurt-Körber-Gymnasium fast der Vergangenheit an. Die Billstedter Schule setzt auf Tablets statt auf Taschenbücher. 110 Oberstufenschüler und 25 Lehrer sind hier mit iPads ausgerüstet. Bis zum Abitur sollen die Schüler den Umgang mit moderner Technik und Online-Recherchen lernen, sich auf das wissenschaftliche Uni-Arbeiten vorbereiten und Internet-Quellen bewerten. Und nebenbei herausfinden, ob sie besser mit Stift und Papier oder mit digitalen Medien und Computer-Programmen lernen können, erklärt Schulleiter Christian Lenz.

"Wir wollen unsere Schüler fähig machen, eine Gesellschaft mitzugestalten, die mehr und mehr durch Medien geprägt ist", sagt er. Lenz ist seit 2010 Schulleiter am Kurt-Körber-Gymnasium. Vorher hatte er sich als Leiter des Referates Medienpädagogik am Landesinstitut für Lehrerbildung (LI) mit dem potenziellen Nutzen neuer Medien und des mobilen Lernens beschäftigt. Das von ihm in Zusammenarbeit mit der Uni Hamburg und dem LI initiierte Pilotprojekt heißt Paducation, vor zwei Jahren ist es gestartet.

Nach den Sommerferien 2011 wurde der erste Jahrgang mit iPads ausgestattet - die Finanzierung teilten sich die Körber-Stiftung und die Schulbehörde. Anfang dieses Schuljahres wurden die nächsten Elftklässler ausgerüstet. Dieses Mal unterstützen viele Eltern die Fortführung des 70.000-Euro-Projektes durch die Beschaffung eines Familien-iPads - die restlichen Geräte spendierte eine Nachbarschule, die von den Billstedter Erfahrungen profitieren will. Zusätzlich stellte die Behörde eine schnelle Breitband-Leitung und sechs WLAN-Bereiche zur Verfügung.

Die iPads kommen in den unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz. In Physik zeichnen Schüler Versuche auf. Im Sportkurs werden Bewegungsabläufe analysiert. Und wer eine Matheformel im Unterricht nicht verstanden hat, dem bringt die Lehrerin in einem aufgezeichneten Internetvideo noch einmal das aktuelle Kapitel bei. Doch die iPads dienen nicht nur dem Lernen, sondern auch dem Austausch: Es gibt virtuelle Klassenzimmer und Webblogs.

"Meine Eltern unterstützen das Projekt", sagt Charlotte Bünz, eine der Schülerinnen der Oberstufe. In den Ferien müsse sie allerdings oft nach dem Tablet suchen, weil ihre Familie damit spiele. Die Schüler selber haben die Phase, in denen die schnelle Internetverfügbarkeit sie abgelenkt hat, längst hinter sich. "Irgendwann wird es uninteressant, im Unterricht bei Facebook reinzuschauen oder zu spielen", sagt Charlottes Mitschüler Andreas. "Es bringt einen nicht weiter."

Im Billstedter Gymnasium gehören die digitalen Schreibtafeln zum Alltag - doch in vielen deutschen Klassenzimmern regieren noch immer Kreide und Schwamm. Oft sind E-Learning und das digitale Klassenzimmer eine ferne Vision: Wie eine Umfrage der E-Learning-Agentur Infoport im Mai ergab, nutzen rund 160 von insgesamt 34.000 Schulen aktuell Tablet-Computer im Unterricht. Auch bei multimedialen Internettafeln gibt es Nachholbedarf: Der Marktführer von sogenannten Whiteboards, Smart-Technologie, schätzt, dass in Deutschland lediglich zwölf Prozent der allgemeinbildenden Schulen mit den modernen Schultafeln arbeiten.

Die Bildungsgewerkschaft GEW ist modernen Lernformen aufgeschlossen. "Es ist wichtig, dass sich Schüler an Kulturtechniken der heutigen Gesellschaft orientieren. Die Schule ist der richtige Ort, sich im verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien auseinanderzusetzen", sagt Hamburgs GEW-Vize Fredrik Dehnerdt. Auch die Mainzer Expertin für neue Lernformen an der Johannes Gutenberg-Universität, Luise Ludwig, begrüßt solche Initiativen. Sie hält jedoch eine durchdachte Vorbereitungszeit für genauso wichtig wie die Schüler am Einsatz moderner Unterrichtsgeräte zu beteiligen: "Oft ist ihr Recht auf Mitbestimmung gering ausgeprägt, obwohl sie eine klare Vorstellung darüber haben, wie der Unterricht aussehen kann", sagt Ludwig.

Oft scheiterten vielversprechende Schulprojekte an der Umsetzung und an der Didaktik, wenn Tablets nicht als unterstützende Lernerleichterung, sondern zwanghaft als Fixpunkt im Unterricht eingesetzt würden. Das hat auch Schülerin Inge Akyaa erkannt: "Manchmal versucht man krampfhaft, etwas mit dem iPad zu tun, das man auf Papier viel einfacher machen könnte."