HWWI und HSH Nordbank sehen gute Chancen vor allem für Geschäfte in der City. Auch Einkaufszentren profitieren. Verbraucher sind immer stärker daran interessiert, wo die Waren herkommen.

Hamburg. Der Einzelhandel in Deutschland muss sich auf immer schwerere Zeiten einstellen. Denn die Bevölkerung wird bis zum Jahr 2030 um fünf Prozent abnehmen - und die Einwohnerzahl bestimmt das Kundenpotenzial. Hinzu kommt: Schon seit Anfang der 1990er-Jahre ist der Anteil der Konsumausgaben an den Einkommen der privaten Haushalte von 40 auf nur noch 30 Prozent gesunken.

"Dafür steigen die Aufwendungen für das Wohnen einschließlich der Energiekosten deutlich, außerdem wird man künftig mehr Geld als heute für die Vorsorge und die Gesundheit ausgeben", sagt Dörte Nitt-Drießelmann, Wissenschaftlerin des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). Sie ist die Autorin einer Studie zum Einzelhandel, die das HWWI für die HSH Nordbank erarbeitete.

Hamburger Händler können allerdings von wesentlich günstigeren Rahmenbedingungen ausgehen als ihre Wettbewerber außerhalb einer Großstadt. Denn von dem Bevölkerungsrückgang sind nicht alle Regionen betroffen. So wird die Einwohnerzahl des Großraums Hamburg bis zum Jahr 2029 Prognosen zufolge sogar im zweistelligen Prozentbereich zunehmen. "Citylagen werden im Einzelhandel weiter gewinnen", sagt Nitt-Drießelmann. Die Hansestadt ziehe außerdem zunehmend Kunden aus dem Umland und Touristen an, die den Handel zusätzlich beleben. So sei der Anteil der von außen zufließenden Kaufkraft seit 1992 von 11,6 Prozent auf mehr als 15 Prozent gestiegen.

Wenn es gelinge, die Identität der Hamburger Innenstadt zu stärken und "städtebauliche Ödnis durch aneinandergereihte Filial- und Franchiseunternehmern" zu vermeiden, werde der dortige Einzelhandel seine Attraktivität trotz zunehmender Konkurrenz durch das Internet bewahren können, heißt es in der Studie.

Allerdings werde der Umsatzanteil des Online-Handels in Deutschland von zuletzt acht Prozent bis zum Jahr 2015 auf zehn bis zwölf Prozent klettern, erwartet die Expertin. Stationäre Händler dürften das Internet nicht als Gegner sehen, sondern müssten den Online-Kanal intelligent in ihre Geschäftstätigkeit einbinden. Weitergehen werde auch die Konzentration im Einzelhandel - schon heute beschäftigen nur 0,2 Prozent der Unternehmen 47 Prozent der Erwerbstätigen dieser Branche.

Immer wichtiger wird es nach Einschätzung von Nitt-Drießelmann, "Erlebniswelten" für die Kunden zu schaffen, wie dies etwa die Marke Hollister des US-Modekonzerns Abercrombie & Fitch vormache: "Denen gelingt es, ganz normale T-Shirts teuer zu verkaufen."

Ein Megatrend sei aber auch eine zunehmende Individualität bei den Produkten: "Handgemachte Sachen sind immer gefragter." Darüber hinaus seien die Verbraucher immer stärker daran interessiert, wo die Waren herkommen und wie sie produziert werden. Ohnehin müsse sich der stationäre Handel künftig intensiver um qualifizierte Beratung und guten Service bemühen, um sich gegen reine Online-Anbieter behaupten zu können.

"Selbst Edeka-Läden gewinnen Kunden von der Konkurrenz, wenn sie das Personal etwas besser bezahlen und die Mitarbeiter dafür motivierter und stärker serviceorientiert sind", sagt Andreas Becker, Leiter des Firmenkundengeschäfts der HSH Nordbank. Im Lebensmittelhandel werden sich wohnortnahe Märkte gut halten können, erwarten die Experten. Hier spiele auch der zunehmende Anteil der Einfamilienhaushalte und die alternde Bevölkerung eine Rolle - heute sind 21,5 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre alt, 2030 werden es schon 28,5 Prozent sein. Soziale Kontakte beim Einkaufen gewönnen an Bedeutung.

Gute Chancen sehen die Autoren der Studie auch für Shoppingcenter, vor allem wenn sie in der Nähe der Innenstadt liegen. Solchen Zentren bedienten das wachsende Interesse der Verbraucher an "emotionalen Einkaufserlebnissen". Außerdem könnten sie Synergieeffekte nutzen: "Wenn es drei Schuhhändler in enger Nachbarschaft gibt, haben unter dem Strich alle drei Vorteile davon."