Bislang kein neuer Auftrag für Sietas. Das derzeit letzte Schiff, das Sietas baut, ist zugleich das aufwendigste in der 378-jährigen Geschichte der Werft.

Hamburg. Für die Rettung der ältesten deutschen Werft Sietas in Neuenfelde schwinden die Hoffnungen. Das derzeit letzte Schiff, das Sietas baut, ist zugleich das aufwendigste in der 378-jährigen Geschichte der Werft. Das Windkraft-Errichterschiff "Aeolus" soll Ende Juli an das niederländische Wasserbauunternehmen Van Oord abgeliefert werden. Es kostet nach inoffiziellen Informationen mehr als 120 Millionen Euro. "Wir bekommen bislang keinen Anschlussauftrag", sagte der Hamburger Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann dem Abendblatt. "Wenn wir einen Auftrag hätten, würden sich zwei ernsthafte Investoren aus Deutschland um die Werft bewerben. Aber ohne Auftrag können wir sie nicht verkaufen."

Brinkmann betreut Sietas, seit das Unternehmen Ende 2011 Insolvenz anmelden musste. 100 der insgesamt 390 Sietas-Mitarbeiter sind bereits in eine Transfergesellschaft gewechselt, in der sie weiterqualifiziert werden sollen. Ludwig Reichert führt die Werft in Brinkmanns Auftrag seit Sommer 2012. Man werbe im In- und Ausland intensiv um Aufträge und Investoren: "Herr Reichert hat eine Woche lang in China Gespräche über Sietas geführt", sagte Brinkmann. Letztlich aber ohne Erfolg.

Sietas geriet Anfang 2009 ins Schlingern, als in der weltweiten Finanzmarktkrise mehrere Schiffbauaufträge storniert wurden. Eigner und Werftchef Hinrich Sietas musste auf Druck der federführenden HSH Nordbank abtreten. Ein neues, erstmals familienfremdes Management richtete die Werft auf den Bau speziellerer Schiffstypen aus und setzte dabei auch auf den Offshore-Windkraft-Markt. Sietas hatte in den Jahren zuvor vor allem Container-Zubringerschiffe gefertigt. Die "Aeolus" ist das bislang einzige Windkraft-Errichterschiff, das auf einer deutschen Werft gebaut wurde.

Nach Ansicht von Fachleuten wie dem Hamburger Schiffbau-Professor Eike Lehmann ist das 140 Meter lange Spezialschiff derzeit das weltweit effektivste für den Aufbau von Windkraftwerken auf See. Das Schiff habe "eine Reihe von technischen Eigenschaften, die so bei den meisten Mitbewerbern nicht vorliegen", schreibt Lehmann in einem Gutachten: "Man kann vermuten, dass das Wetterfenster für die Seeoperationen deutlich größer ist als bei den Wettbewerbern." Die "Aeolus" basiert auf der langen Erfahrung von Sietas beim Bau von Schwergutschiffen. Unter anderem unterscheidet sich der Neubau von anderen Windkraft-Errichterschiffen dadurch, dass die "Aeolus" zur Beladung mit Windturbinen im Hafen nicht eigens auf ihre Stahlstreben aufgeständert werden muss.

Van Oord wollte bei Sietas ein zweites Errichterschiff bauen lassen, stellte den Auftrag aber zurück, weil ein Windpark-Projekt des Stromkonzerns EnBW in der deutschen Nordsee gestoppt wurde. Sietas leidet wie etliche andere Unternehmen an der Küste unter der Verunsicherung von Windpark-Investoren. Bis nach der Bundestagswahl im September bleibt offen, wie die Offshore-Windkraft in Deutschland künftig gefördert wird. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hatte mit seiner Ankündigung einer "Strompreisbremse" Ende 2012 neue Investitionen in der Branche zum Erliegen gebracht.