Schon Hein Köllisch besang die “witte Maibüx“. Wer dunkelgrüne, gelbe oder gar rostrote Beinkleider trägt, zählt zu höchst seltenen Farbtupfern im Einerlei. Was wurde aus der Hamburger Tradition?

Hamburg. Mannomann! Es ist mal etwas anderes, Männern zuerst auf die untere Leibeshälfte zu schauen. Aber wat mutt, dat mutt. Wer trägt eine weiße Hose?, so die Mutter aller Fragen an diesem Pfingstsonntag. Die Fahndung nach schicken Typen mit einer witten Maibüx, wie vom legendären Hein Köllisch besungen, gestaltet sich zäher als vermutet. Frauen werden heute links liegen gelassen - blicktechnisch zumindest.

Die Antwort schon mal vorweg: ein einziges Modedesaster in der schönen Hansestadt. Jungs, was seid ihr fantasielos, der Autor dieser Zeilen inbegriffen! Allerorten nur Jeans, hell- oder dunkelblaue, neue und verwaschene. Beige, Hellbraun, Khaki oder Oliv sind dieser vierstündigen Feldstudie gemäß für einen Hamburger schon extravagant. Wer dunkelgrüne, gelbe oder gar rostrote Beinkleider trägt, zählt zu höchst seltenen Farbtupfern im Einerlei - in Harmonie zum grauen Wetter. Und das am Feiertag. Die witte Maibüx? Fehlanzeige, bei den Herren zumindest.

"Ihr müsst an der Alster suchen", riet die Holde daheim den verzweifelten Forschern via Handy, "da laufen garantiert ein paar Segler oder Beaus durch die Gegend." Von wegen. Nix am Cliff. Auch im Alstertal, von Köllisch als pfingstliches Ausflugsziel gepriesen, läuft nur wenig. Im wahrsten Sinn des Wortes. Im Jenischpark und am Anleger Teufelsbrück ebenfalls. Und am Hein-Köllisch-Platz auf dem Kiez? Nichts. Liegt's nur an der meteorologischen Tristesse und dem mangelnden Sonnenschein? Der einzige Spaziergänger, der sich unten zu frühlingsfrischem Weiß bekennt, stammt wahrscheinlich aus Arabien. Er lächelt fröhlich, spricht aber weder Deutsch noch Englisch.

Was waren das für Zeiten, als Männer Mut hatten und modische Akzente setzten. "To Pingsten, ach wie scheun, wenn die Natur so greun", dichtete Heinrich "Hein" Köllisch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. "De Vadder geiht voran, eene witte Maibüx an." Und weiter geht's: "Sein Jung kummt in de Mitt - natürlich ook in Witt." Die Neuzeit sieht anders aus. "Weiß ist megaout", bescheidet ein Jeansträger am Fähranleger Rabenstraße tadelnd. "Außerdem: Wer will sich schon eindrecken, wenn die Wege feucht und matschig sind?" Vielleicht wäre alles anders, wenn die Sonne schiene und es richtig mollig warm wäre? Auch am Neuen Jungfernstieg ist - zumindest in puncto Mode - wenig los. Sonst schon: Der Antikmarkt an den Colonnaden und in den angrenzenden Straßen ist bestens besucht. Rund 100 Stände, meist von Profis betrieben, bieten Krimskrams von früher feil. Also auch aus der Zeit, als sich der Volkshumorist und Liedermacher Köllisch enorm in Form präsentierte. Der gelernte Schlosser von St. Pauli dichtete mehr als 150 flotte, leicht schräge Couplets und machte seine Muttersprache Plattdeutsch als Varieté-Direktor im "Universum" am Spielbudenplatz salonfähig. Er war ein Volksheld. Markenzeichen: Frack und Zylinder.

Alles passé? Nicht ganz. Denn an der Großen Theaterstraße steht ein stabiles Mannsbild - mit weißer Pfingsthose. Zweite Überraschung: Roland Resag, seines Zeichens Chef des Antikmarktes, hat einen Großteil aus "De Pingsttour" parat. Auswendig. Lustvoll zitiert der 58-Jährige die Passagen. Und er erklärt sein Wissen: "Während des Studiums habe ich mich auch mit der Hamburger Varieté- und Revue-Kultur beschäftigt." Als Traditionalist sei es ihm ein Vergnügen, gerade zu Pfingsten "eene witte Maibüx" zu tragen. Drei von dieser Farbe hängen zu Hause in Hamm im Kleiderschrank. Der Mann hat außerordentlichen Geschmack.

Zumal es ihm besser als Köllisch' Pfingstwanderer ergeht, dessen Ausflug am Ende ins Wasser fiel: "De scheune witte Büx süht ut wie Stebelwix." Schwarz und dreckig also.