Ob Kinder, Senioren oder Seedbomber - immer mehr Guerilla-Gärtner bepflanzen wilde Beete in der Stadt und haben ein Ziel: das grüne Hamburg noch grüner machen. Wer sie sind, was sie antreibt.

Hamburg. Wer braucht schon die Internationale Gartenschau (igs)? In ganz Hamburg setzen Menschen ihren grünen Daumen ein, um die Stadt zu verschönern. Die Bewegung der Stadtgärtner, auch als Urban Gardening bekannt, findet hier immer mehr Anhänger. Viele Menschen gärtnern mit Erlaubnis der Bezirke. "Eine Grünpatenschaft auf Vegetationsflächen ist für die Bürger eine alternative Lösung zum Guerilla Gardening", sagt Aileen Röpcke, Sprecherin des Bezirks Eimsbüttel. Auf www.gruenpate.de können sich Hamburger für öffentliche Flächen bewerben. Projekte wie das Gartendeck an der Großen Freiheit und die Keimzelle am Ölmühlenplatz auf St. Pauli haben sich zu festen Institutionen etabliert. Das Abendblatt hat sich in der Stadt umgesehen und die urbanen Gärtner an ihren Beeten besucht.

Die Anfänger

Sie sind gerade mal zwischen einem und acht Jahren alt - und damit die wohl jüngsten Guerilla-Gärtner der Stadt. An Entschlossenheit mangelt es ihnen nicht: Kurzerhand haben die Kinder aus der Nachbarschaft an der Heymannstraße (Eimsbüttel) an der Kreuzung Schlankreye ein Beet geentert und mit Narzissenzwiebeln bepflanzt, kurz nachdem im Herbst 2012 dort eine Linde gefällt worden ist. Jetzt blüht das Beet ganz in Gelb, das freut die Nachwuchsgärtner, das freut ihre Mütter. "Wir wollen auf diesem Wege unseren Kindern die Natur nahebringen", sagt Cathrine Heimann, die sich mit ihren Freundinnen Uda Albrecht, Veronika Friedmann und Julia Jonas um das Projekt kümmert. Nachdem die Narzissen blühen, wollen die Frauen mit ihren Kindern die Ernte der Sommerblumen vorbereiten.

Die Ehrenamtlichen

Sie wollten das Bild des Rissener Zentrums verschönern. Und tun das jetzt schon im siebten Jahr in Folge. Die Rissener Blumengruppe, eine Initiative von 13 Frauen des örtlichen Bürgervereins, trifft sich wöchentlich an der Wedeler Landstraße. Dann begrünen die Frauen ein großes Beet in der Fußgängerzone. Mit Spendengeldern von Kaufleuten bezahlt die Gruppe von Ehrenamtlichen die Blumen, die das gesamte Jahr über eingepflanzt werden. Die meisten Frauen sind bereits über 70. Heidi Behrmann, 66, eine der Jüngsten, ist seit Beginn dabei. "Wir sind alle unkompliziert und klönen auch einfach gerne mal", sagt Behrmann, die mehrere Stunden in der Woche am Beet verbringt. "Unser Stadtteilzentrum ist dadurch einfach schöner."

Die Kallerschen Erben

Acht Jahre lang kümmerte sich Werner Kaller um die Bepflanzung der Verkehrsinsel an der Barcastraße/Ecke Ackermannstraße in Hohenfelde. Als die Grünflächen plötzlich nur noch wild wucherten, machte sich Anwohner Jürgen Hegger Sorgen. Er erfuhr, dass Kaller nach einem Schlaganfall in einer Seniorenresidenz lebte. Gemeinsam mit seinem Freund Darek Kokoszewski startete er darauf eine Nachbarschaftsinitiative, um die Beete auf der Verkehrsinsel weiterzupflegen. Nach einem weiteren Schlaganfall starb Werner Kaller. Jürgen Hegger taufte die sechs Beete im Gedenken an den Projekt-Papa auf den Namen Kallersche Gärten. Der 37-Jährige hat zusammen mit zwölf Freunden und Anwohnern einen Plan erstellt, damit die Grünflächen täglich bewässert werden. Mehr als 1000 Euro geben Hegger und Co. jährlich allein für die Blumen aus. "Ohne Spenden könnten wir das nicht machen", sagt Hegger.

Der Seedbomber

Ein kleines Päckchen mit sechs Samenkugeln war vor zwei Jahren in England sein erster Kontakt mit Guerilla Gardening. Seitdem zieht Marco Heß in Hamburg auch gerne mal nachts durch die Stadt und verstreut die sogenannten Seedbombs, murmelgroße Kugeln aus Erde, Ton, Samen und Wasser. "Wo diese Bomben landen, wird nichts zerstört, sondern breitet sich blühende Blumenpracht aus", sagt Heß. Der 27-Jährige nutzt mit seiner Freundin jede Gelegenheit, die Seedbombs auf Verkehrsinseln, Baustellen oder Asphaltritzen zu verteilen. "Wir wollen unsere viel zu grau und gläsern gewordene Stadt wieder in eine grüne und bunte Oase verwandeln", sagt Heß. Die Methode sei einfach und effektiv. "Werfen, gießen, sprießen. Man tut etwas Gutes ohne viel Aufwand. Und das Ergebnis sieht man schon nach wenigen Tagen", sagt Heß.

Gärtnern für St. Georg

Neben ihrem kleinen Käsegeschäft "Alles Käse" pflegt Isolde Werner, 55, drei Beete am Rande des Hansaplatzes. Der Bezirk hat ihr das genehmigt. Neben den Blumen will Werner in diesem Jahr Kartoffeln und Johannesbeeren pflanzen, auch wenn die Beete häufig verdreckt werden. "Außerdem würde ich hier gerne Kinder mit einbeziehen", sagt Werner, die seit 1990 in St. Georg lebt. Karla Fischer, 67, gärtnert bereits mit Kindern, und das seit mehreren Jahren. Mit rund 20 Anwohnern aus dem Stadtteil pflegt sie sechs Beete neben der Hundewiese im Lohmühlenpark am Krankenhaus St. Georg.

Die Mutter der Stadtgärtner

Als sich die Guerilla-Gardening-Bewegung in den 70er-Jahren in New York verbreitete, hatte Gisela Schröder längst ihr eigenes Stadtbeet. Seit 35 Jahren pflegt die gebürtige Eimsbüttelerin eine Fläche vor ihrem Haus an der Lutterothstraße. Mittlerweile sind es fünf Beete, die Schröder in Absprache mit der Gartenbauabteilung des Bezirksamts betreut. "Mir macht das immer noch viel Freude", sagt die heute 78-jährige Schröder. Mehrere Stunden am Tag schuftet sie in den Beeten an den Straßenrändern. Als der Frühling Anfang April in Hamburg endlich aus dem Winterschlaf erwachte, blühten Schröders Beete bereits in bunten Farben. Ihr Blumenrezept für die kalten Tage: "Einfach mit Tannenzweigen bedecken", sagt Schröder.