Die Experten sind überzeugt, bald fündig zu werden. Dass unter dem Heiligengeistfeld mit Bombenblindgängern zu rechnen ist, hat sich bereits im vergangenen September bei einer ersten Probesondierung bestätigt.

Hamburg. Das sorgsam abgesperrte Areal im Schatten den Hochbunkers auf dem Heiligengeistfeld sieht aus wie eine Landschaft aus überdimensionierten Maulwurfshügeln. Hinter doppelten Zäunen, die eine nicht zu überwindende Barriere bilden, wird die Erde durchwühlt. Es sind Kampfmittelräumer der Hamburger Firma Wilko Wagner, die Quadratmeter für Quadratmeter, Schicht für Schicht nach explosiven Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges suchen. Probefeld 5 heißt das Areal, das eines von fünf Abschnitten auf dem gut 20 Hektar großen Heiligengeistfeld ist, die in den kommenden eineinhalb Jahren systematisch erforscht werden.

Dass unter dem Heiligengeistfeld mit Bombenblindgängern zu rechnen ist, hat sich bereits im vergangenen September bei einer ersten Probesondierung bestätigt. Gleich zwei Fliegerbomben, 500 und 1000 Pfund schwer, die direkt übereinanderlagen, hatten Kampfmittelräumer entdeckt. 5500 Menschen mussten für die Entschärfung ihre Wohnungen verlassen. Die Bomben selbst stammten aus amerikanischer und britischer Produktion. Sie waren mit Sicherheit bei verschiedenen Luftangriffen abgeworfen worden. Die Blindgänger, davon gehen Experten aus, waren woanders gefunden und dann dort abgelegt worden.

"Wir gehen davon aus, dass wir auf dem Areal fündig werden", sagt Stefan Goldhan von der Firma Wilko Wagner. Unter dem Heiligengeistfeld, auf dem mehrmals im Jahr der Dom stattfindet und auf dem regelmäßig Zirkusse gastieren, werden nicht nur Bombenblindgänger, sondern auch Rohrwaffenmunition, also Flakgranaten, vermutet. Gleich nebenan erhebt sich der 39 Meter hohe Flakturm, einer von acht Hochbunkern dieser Art, die im Zweiten Weltkrieg in Hamburg, Berlin und Wien errichtet wurden. Auf dem Bunker am Heiligengeistfeld waren vier große Doppelflakgeschütze und zahlreiche kleinere Maschinenkanonen zur Abwehr von Tieffliegern installiert. Bei Kriegsende könnte in der Umgebung übrig gebliebene Munition "entsorgt" worden sein. Das Heiligengeistfeld, bei dem der Großteil der Fläche nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie nach Blindgängern und Munition abgesucht wurde, gehört dazu. Auch deswegen besteht auf dem Heiligengeistfeld ein sogenanntes Grabungsverbot. So dürfen nur Zirkuszelte aufgestellt werden, für die keine Erdnägel als Verankerung nötig sind. Gesucht wird nach den Bomben nicht wegen der latenten Gefahr. Es wird gesucht, weil auf dem Heiligengeistfeld neue Wasserleitungen verlegt werden sollen. "Die Sondierungsarbeiten können nur abschnittsweise durchgeführt werden", sagt Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. "Wir müssen uns da nach den Domzeiten richten." Auf den Verdachtsflächen selbst finden sowohl Volumenräumungen wie auch Bohrlochsondierungsarbeiten statt. "Bei der Volumenräumung werden vorsichtig die einzelnen Erdschichten abgetragen, die vorher mit Sonden überprüft wurden", erklärt Goldhan. "Bei der Bohrlochsondierung werden in einem Abstand von üblicherweise eineinhalb Metern Löcher bis in eine vorher bestimmte Tiefe gebohrt. Mit Messgeräten können dann Anomalien festgestellt werden." Die Messergebnisse zeigen den Fachleuten, ob sich Metall im Boden befindet, das dem Volumen eines Blindgängers entspricht.

Das Heiligengeistfeld steht stellvertretend für zahlreiche Verdachtsflächen in der Hansestadt. Mehr als 200-mal wurde Hamburg im Zweiten Weltkrieg von Bombern der Alliierten angegriffen. Besonders verheerend war die Operation Gomorrha, eine Serie aus fünf Nachtangriffen durch die Royal Air Force und zwei Tagesangriffen durch die amerikanische Luftwaffe in der Zeit vom 25. Juli bis 3. August 1943. Bei allen Luftangriffen auf Hamburg wurden rund 107.000 Spreng-, 300.000 Phosphor- und etwa drei Millionen Brandbomben abgeworfen. Nach Schätzung der Experten sind etwa 13 Prozent der Bomben Blindgänger. Fast 11.300 wurden bereits entschärft, viele noch während des Krieges. Demnach müssten noch gut 2600 Blindgänger existieren. Darunter dürften auch einige Hundert Bomben mit den berüchtigten Säurezündern sein. Sie explodierten nicht sofort, sondern lagen in den brennenden Stadtteilen, die angegriffen wurden, zwischen den Trümmern. Der Plan: Die Feuerwehrleute sollten beim Löschen zerfetzt werden. Auch diese besonders gefährlichen Bomben können unter dem Heiligengeistfeld liegen.