Ob Männerrunde oder Familie: Begeistert sind sie alle, aber bei Vorlieben und Budget unterscheiden sie sich doch erheblich. Das Hamburger Abendblatt hat vier Besuchergruppen klassifiziert.

Landungsbrücken. Alle zwei, drei Minuten spucken die S- und U-Bahnen an der Haltestelle Landungsbrücken einen neuen Schwall Menschen aus. Der Sonnabend ist traditionell Großkampftag, doch macht es gefühlt keinen Unterschied, ob sich nun geschätzte 330.000 (wie jeweils am Donnerstag und Freitag) oder eine halbe Million Menschen an der Hafenkante entlangdrängen, die in diesem Jahr wegen der Bauarbeiten an der neuen Uferpromenade schmaler ausfällt. Immerhin, die Masse wärmt ein bisschen. Und wer sich dann durch den ersten Stau auf der Fußgängerbrücke von der Station übers Johannesbollwerk glücklich hindurchquetschen konnte, steht jetzt nur noch vor der Qual der Wahl: Erst essen, dann Schiffe gucken oder umgekehrt? Das Abendblatt hat vier Besuchergruppen klassifiziert:

Best-Ager: Kristina und Hans-Jürgen, beide Jahrgang 1944, sind erst vor wenigen Minuten aus Gera angereist, haben ihr Auto rasch vorm Hotel Hafen Hamburg geparkt, die Koffer aufs Zimmer gebracht und sind gleich runter, auf die Landungsbrücken, zum erstbesten Imbiss. Jetzt beißen die beiden flotten Rentner so herzhaft in ein frisches Fischbrötchen mit Bismarckhering, als hätten sie in ihrem Leben noch nie etwas so Gutes gegessen. "Im vergangenen Jahr waren wir zum ersten Mal hier", sagt Kristina, "da haben wir schon gesagt: 2013 fahren wir wieder her!" Ihr Mann lässt den Blick übers raue Hafenwasser schweifen. "Es ist das Fluidum, die vielen fröhlichen Menschen, die Freundlichkeit der Hamburger ..." Und überhaupt sei Hamburg doch die schönste deutsche Stadt, jubelt Kristina und nickt kräftig zur Bestätigung. Am nächsten Tag wollen sie noch zur Internationalen Gartenschau - mit rund 800 Euro Reisekosten rechnet das Paar für seinen Hamburg-Trip.

Zwei Übernachtungen, intensive Nutzung des Gastronomieangebots - damit gehört das Paar zur Gruppe der Hafengeburtstagsgäste, die von den Tourismusmanagern der Hansestadt sehr gern gesehen wird - die Guppe der Best-Ager. Die Stadt will in diesem Jahr erneut die Zehn-Millionen-Übernachtungen-Hürde überspringen und den Platz in den Top Ten der meistbesuchten europäischen Metropolen verteidigen - auch dank dieser Gruppe.

Männerrunden: Zu den unverzichtbaren, weil auch typischen Hafengeburtstagsgästen gehören trinkfeste Männerrunden. Jürgen, Frieder, Mischa und Co. sind aus Karlsruhe angereist und tauchen auf den Landungsbrücken tief ein in die Hamburger Bierkultur. Sie sind insgesamt acht gestandene Kerle aus bodenständigen Berufen, vom Beamten bis zum Installateur; sie singen gern und lachen viel - nur ihr Kumpel Knut nicht, der bereits schlafend im Stuhl hängt. Trotzdem wird für ihn Runde um Runde mitbestellt, ein Abnehmer findet sich immer. "Wir rechnen mit 600 Euro pro Mann", sagt Jürgen, der beim baden-württembergischen Rechnungshof angestellt ist. Und was ist mit ihren Frauen? "Die sind doch nur froh, dass sie ihre Kerle für ein Wochenende los sind!", ruft Mischa und erntet einen Beifallssturm; mit ihrem siebten Besuch seit 2006 gehören die Badener schon zu den Stammgästen.

Girlies: Die nächste Guppe ist die der Girlies. Die Budenmeile zwischen Baumwall und Landungsbrücken ist ihr Laufsteg - zumeist für die besten Freundinnen, die untergehakt und giggelnd auf hohen Absätzen durch die Menge stolpern: Maoui, mit tunesischen und ihre Freundin Jill mit senegalesischen Wurzeln. Beide wollen rund 30 Euro pro Frau auf den Kopf hauen; beide sind 20, in der Ausbildung und wirken trotz ihrer alkoholfreien "Ipanema-Cocktails" leicht angeschickert, aber nur "weil wir sehr, sehr fröhlich sind. Hafengeburtstag macht man einfach jedes Jahr, das ist Pflicht!", sagt Maoui, während sie sich eine Portion Backfisch einverleibt. "Aber wir sind echt nicht hier, um Männer aufzureißen", sagt Jill, "denn erstens haben wir beide einen Freund, und außerdem gehen wir sowieso nur tagsüber über die Meile, weil nach dem Dunkelwerden die Besoffenen unterwegs sind."

Familien: Was viele Besucher - vor allem in der Gruppe der Familien - stört, ist, dass es praktisch keine Möglichkeiten gibt, sich außerhalb einer Gastronomie einmal hinzusetzen und den Füßen eine Pause zu gönnen. Christian und Silke aus Gütersloh machen mit ihren Töchtern Lisa und Isabelle aus der Not eine Tugend und rasten auf den Treppenstufen neben dem Übersee-Club. "Gütersloh hat ja nun mal wenig Wasser", sagt Christian, IT-Projektmanager bei Bertelsmann, "und Wasser hat uns schon immer angezogen", vollendet seine Frau den Satz. Für die Familie wird es bloß ein Tagesausflug, denn am Sonntag hat Lisa Geburtstag, und sie will mit Oma und Opa feiern. Mindestens 100 Euro - ohne Reisekosten - werden sie wohl ausgeben, schätzt Christian.

Fazit: Die Programmpunkte des viertägigen Geburtstagsspektakels einen die Besucher auf jeden Fall, was die Kleidung betrifft: Alle tragen Spendierhosen - und die sind natürlich wetterfest.