Im Hamburger Hafen wird gern gefeiert - die maritime Wirtschaft hat dazu keinen Grund

Der Hafengeburtstag ist brillant - brillante PR. Schon der Freibrief von Barbarossa aus dem Jahr 1189, der Geburtstag von Hafen und Hafengeburtstag, war eine clevere Fälschung. Auch wenn nun vollmundig der 824. Hafengeburtstag begangen wird - das Fest fand erstmals erst 1977 statt. Der Gedanke, den Hafen für die Bürger der Stadt zu inszenieren, war genial, auch wenn Bratwurstmeile und Bierbudenpirouetten nicht jedermanns Sache sind. Das Volksfest stärkt die Verbundenheit der Hamburger mit ihrem Hafen und inszeniert die Hansestadt als maritime Metropole. Gerade in den 70er-Jahren war diese Botschaft wichtig, der Hafen kriselte und wurde als rostiger Jubilar verspottet. Zwischen 1980 und 1990 ging der Gesamtumschlag zurück, der Hamburger Hafen rutschte auf Rang 5 in Europa ab. Rote Zahlen, Werftenkrise und die erwachende Umweltbewegung ließen den Konsens für den Hafen bröckeln.

"Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich", hat Mark Twain einmal gesagt. Man sollte sich von den festlich geschmückten Schiffen und der Partystimmung nicht blenden lassen: Hafen und maritimer Wirtschaft geht es so schlecht wie seit den 80er-Jahren nicht mehr. Seit Monaten reiht sich eine Negativnachricht an die nächste: Der Germanische Lloyd, Klassifizierer mit einer 146-jährigen Geschichte, wurde vor Kurzem von Norwegern übernommen. Die beiden größten Hamburger Reedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd leiden unter der Krise, scheitern aber an einem Zusammenschluss, der ihre Chancen auf dem umkämpften Markt verbessern würde. Viele kleinere Reeder sind längst am Ende, das Geschäftsmodell der Schiffsfinanzierungen ist zusammengebrochen. Die angeschlagene HSH Nordbank ächzt unter diesem Finanzierungsgeschäft, die Deutsche Schiffsbank wurde 2012 erst mit der Commerzbank verschmolzen, dann kündigte die Frankfurter Bank an, sich völlig aus dem Geschäftsfeld zu verabschieden. Und mit der Insolvenz der Sietas-Werft, der ältesten in Deutschland, bekam die maritime Wirtschaft einen weiteren Tiefschlag versetzt. Zu allem Überfluss steht nun auch noch die dringend benötigte Elbvertiefung vor dem Scheitern.

Allein an der Debatte um die Fahrrinnenanpassung in der Hansestadt zeigt sich, wie der Rückhalt für Hafenbelange bis in bürgerliche Kreise schwindet. Die Umweltverbände stoßen mit ihren Klagen auf Zuspruch, obwohl sie den Welthafen Hamburg in einen Regionalhafen verändern könnten. Auch von der Bundesregierung darf die maritime Wirtschaft kaum auf Unterstützung hoffen - ihr Stellenwert wird selbst in den Ministerien irgendwo hinter Weinbau und Entsorgungswirtschaft einsortiert.

Die Hamburger haben in der Vergangenheit viele Fehler gemacht: Solange die Geschäfte prächtig liefen, waren viele mit dem Zählen der Gewinne zufrieden. Als dann der Wind drehte, wurden rasch Rufe nach Staatshilfen laut. Anders als süddeutsche Wirtschaftszweige hat es die maritime Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten versäumt, für ihre Interessen in Berlin nachhaltig zu werben. Bis heute spricht sie zu selten mit einer starken Stimme. Zudem rächt sich jetzt, dass gerade die Hamburger mit fabulösen Prognosen die Zukunft viel zu rosig gemalt haben. Das hat die Glaubwürdigkeit der Branche erschüttert und ihren Stellenwert insgesamt unterspült.

Der Hafengeburtstag sollte den Hamburgern die Augen öffnen, dass er mehr ist als die Postkartenkulisse für bierselige Stunden. Die ehemalige Kultursenatorin Christina Weiss hat den Hafen einst als "Gesamtkunstwerk aus Sehnsucht und Sinnlichkeit" bezeichnet: Er ist mehr als das - er ist für die Stadt identitätsstiftend, er ist das Pfund, mit dem die Stadt wuchern kann, er ist der Standortvorteil, der Künstler, Kreative, Gründer an die Elbe lockt. Gerade in Zeiten der Krise benötigt der Hafen dauerhaft die Zustimmung, die sein Geburtstag dieser Tage erfährt.