Experten erwarten weiter steigende Kurse. Allerdings bleibt die Konjunktur in Europa ein Risikofaktor. Analysten sind uneins über Beiersdorf.

Hamburg. Einen Rekord geknackt, den nächsten vor der Nase: Der Deutsche Aktienindex (DAX) trat am Montag zwar auf der Stelle, doch in den vergangenen zwei Wochen legte er um fast 700 Zähler zu. Am Freitag markierte der Index für die 30 größten börsennotierten Firmen mit 8122 Punkten seinen höchsten Schlussstand. Den Rekordwert, erzielt tagsüber im Handelsverlauf, schaffte der DAX am 13. Juli 2007 mit 8152 Zählern. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Börsenaufschwung.

Was sind Gründe für den Kursanstieg?

Für Jochen Intelmann ist die Politik der Notenbanken ausschlaggebend. "Hauptursache ist die Liquidität", sagt der Haspa-Chefvolkswirt. Die Notenbanken hätten ihre Geldschleusen geöffnet. Am Donnerstag hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins von 0,75 auf das Rekordtief von 0,5 gesenkt. Zudem habe sie angekündigt, dass jede Bank bis zum Sommer 2014 so viel Geld von der EZB bekomme, wie sie brauche, sagt Intelmann. Einer Kreditklemme soll damit vorgebeugt werden. Die Unternehmen sollen durch die niedrigen Zinsen angehalten werden, günstige Kredite aufzunehmen und zu investieren. Das soll sich später in höheren Gewinnen niederschlagen und ist damit gut für die Börsenkurse.

Carsten Klude richtet neben der Entwicklung in Europa den Fokus auf die Konjunktur in der weltgrößten Volkswirtschaft. "Die Arbeitsmarktdaten in den USA waren besser als erwartet", sagt der Chefvolkswirt des Bankhauses M. M. Warburg. Das US-Arbeitsministerium hatte am Freitag einen deutlichen Zuwachs an neuen Jobs gemeldet und die Zahl der neu geschaffenen Stellen für Februar und März nach oben korrigiert. Daraufhin legte der DAX im Sog der Leitbörse Dow Jones knapp 200 Punkte zu. Die Belebung des Arbeitsmarktes kurbele den Konsum an, Firmen könnten daher mehr in die USA exportieren, fasst Klude die Gründe für den Kurssprung zusammen.

Sollen Anleger jetzt noch einsteigen?

Klude rät momentan nicht zum Investieren: "Die aktuelle Rallye wird erst einmal beendet sein." Er rechnet mit Rückschlägen unter die 8000-Punkte-Marke, auf die die Anleger warten sollten. Gründe für einen generellen Einbruch wie nach der Internetblase 2000 und der Finanzkrise 2007 (siehe Grafik) sieht er aber nicht. "Grundsätzlich wird es eher aufwärts gehen", sagt Klude. Dafür spreche auch das relativ niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnis (dabei wird der Kurs der Aktie durch den erwarteten Gewinn des Unternehmens geteilt) des DAX. Dies liege momentan bei elf, im langjährigen Mittel habe es bei 15 gelegen. Auf Jahressicht bleibt M. M. Warburg bei der DAX-Prognose von 8550 Punkten. Rund 50 Zähler niedriger erwartet die Haspa den Index. Für die nahe Zukunft ist der Chefvolkswirt aber optimistisch. "Es besteht eine gute Chance, dass der Markt weiterläuft, weil die Liquidität da ist", sagt Intelmann. Zudem sei anders als 2000 und 2007 keine übertriebene Euphorie am Markt. Der Anteil von Aktien im Depot solle derzeit bei etwas mehr als 40 Prozent liegen, rät er. Zumal auch die Dividendenrenditen häufig attraktiver als der Zinssatz von Staatsanleihen seien. Das macht auch Klude als Grund für die Aktienrallye aus: "Die Anleger werden praktisch in risikoreichere Produkte wie Aktien gezwungen, um eine auskömmliche Rendite zu erhalten."

Welche Risiken drohen?

Vor allem die unsichere konjunkturelle Lage in Europa könnte die Kurse drücken. Allgemein werden ein Anstieg der Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr und kräftigere Wachstumsraten für 2014 erwartet. Blieben diese aus, müssten auch die Gewinnerwartungen der Firmen gesenkt werden. Klude verweist auf die drohende Rezession bei Deutschlands wichtigsten Außenhandelspartner Frankreich. Intelmann machen die hohen Arbeitslosenquoten in Südeuropa und daraus im Extremfall folgende soziale Unruhen Sorgen, in deren Verlauf Sparprogramme gekippt und die solide Haushaltsführung wieder infrage gestellt würde.

Wie entwickelten sich Hamburger Werte?

Zumindest seit Jahresanfang legte der HASPAX, in dem die 25 erfolgreichsten börsennotierten Unternehmen Hamburgs notiert sind, stärker zu als der DAX. Die Kurse kletterten um 8,7 Prozent und damit um zwei Prozentpunkte mehr als der deutsche Leitindex. Vom Rekordhoch 2395 Punkte vom 9. Juli 2007 ist der Index aber noch rund zehn Prozent weg. "Einige HASPAX-Schwergewichte liegen noch deutlich unter ihrem Höchstwert von damals", sagt Annemarie Schlüter von der Haspa und führt das Medienhaus Axel Springer, den Schmuckhersteller Bijou Brigitte und den Hafenlogistiker Eurokai an.

Der einzige Hamburger DAX-Wert ist in den vergangenen zwölf Monaten gut gelaufen. Von gut 50 Euro kommend knackte das Beiersdorf-Papier die 70-Euro-Grenze. Am Montagnachmittag lag die Aktie bei 70,45 Euro und damit vier Prozent unter dem Allzeithoch. Commerzbank, UBS und Warburg Research stufen sie zum Kauf ein. "Die Stärken der Marke Nivea und kräftige Wachstumsraten unter dem neuen Chef Heidenreich überzeugen", sagt Analyst Jörg Philipp Frey von Warburg Research. Der Betriebsgewinn stieg im ersten Quartal um 17 Prozent auf 215 Millionen Euro. Das Kursziel sieht Frey bei 85 Euro. Weniger optimistisch ist zum Beispiel die Haspa: "Das Unternehmen steckt in einem erfolgreichen Umbau, aber die Bewertung ist mittlerweile zu hoch", sagt Analyst Marco Günther. Ein KGV von fast 30 ist für ihn ein Grund für die Bewertung Verkaufen.

Viele Hamburger Titel aus der zweiten Reihe setzt die Haspa auf Halten. So habe die Optikerkette Fielmann zwar eine starke Marktposition und sei konjunkturunempfindlich, leide aber unter hohen Personalkosten und habe jüngst "nicht so starke Quartalszahlen" ausgewiesen, sagt Analyst Christian Hamann. Seit zwei Jahren bewegt sich das Papier seitwärts. Der Hafenlogistiker HHLA hat im vergangenen Jahr rund ein Drittel an Wert verloren. "Je länger die Elbvertiefung dauert, umso stärker schlägt sich dies auf die Gewinne nieder", sagt Analyst Ingo Schmidt. Die Kupferhütte Aurubis sei zwar gut durch die Konjunktur gekommen, habe aber auch stark an Wert gewonnen, sagt Schmidt. Letzteres gelte auch für Jungheinrich. Allein 2012 stieg der Kurs des Gabelstaplerbauers um 61,5 Prozent.