Mitten in Eidelstedt können Hamburger auf einem Acker Obst oder Gemüse anbauen. Zu Beginn der Saison wird der Acker gepflügt und mit Mist gedüngt. 40 bis 80 Quadratmeter große Feldparzellen stehen bereit.

Hamburg. "Bobb, bobb, bobb". Treckergeräusche an der Reichsbahnstraße. Das scheint im ersten Moment gar nicht zu passen, weil Wohnhäuser aus der Gründerzeit und Einfamilienhäuser aus den 1950er-Jahren die Straße prägen. Nicht gerade ländlich also. Bis auf das gelbe Haus mit der Hausnummer 10: Von dort, dem Eidelstedter Stadtbauernhof der Familie Ramcke, kommen die Geräusche. Die Familie betreibt in der siebten Generation Landwirtschaft. Nun wollen die Ramckes andere Stadtmenschen auf ihrem Acker in der Eidelstedter Feldmark graben lassen und bieten freie Parzellen als Saisongärten zum Pachten an.

Johann Ramcke, 66, hat seinen Lanz Bulldog angeschmissen, der beweist, dass man auch mit nur einem Zylinder richtig Krach machen kann. Den Glühkopf hatte er zuvor mit einer Art Lötlampe zum Glühen und den Trecker mit einem Schwungrad zum Laufen gebracht. Zündkerzen hat der gar nicht. Fünf weitere Oldtimer stehen auf dem Hof. Sie sind die große Leidenschaft von Johann Ramcke und seinem Bruder Peter. Die Oldies werden immer noch zum Pflügen auf dem Feld eingesetzt. Einige Minuten Fahrzeit vom Bauernhof entfernt liegt das Land der Ramckes in der Feldmark. Zwei Hektar Ackerfläche, auf der die Familie die Futterrüben für die Elefanten im Tierpark Hagenbeck anbaut. 40 Anhängerladungen sind das mindestens pro Jahr, also bis zu 3000 Zentner. Umgekehrt liefern die Elefanten mit ihrem Mist wertvollen Dünger. Auch das ist wie so vieles bei den Ramckes (fast alle männlichen Nachkommen heißen Johann) Tradition. Seit 60 Jahren essen die Hagenbeck-Elefanten Runkelrüben aus Eidelstedt.

Schon seit 1802 sind die Ramckes in Eidelstedt, mit den Enkeln Joshua Johann, 4, und Matti Bendix, 2, wächst gerade die achte Generation heran.

Weil Johann Ramcke sich zur Ruhe setzen will, ist nun sein Sohn Christoph an der Reihe, im März vergangenen Jahres hat er den Hof übernommen. "Mein Vater macht zwar noch eine ganze Menge, aber ich helfe ihm auch tatsächlich bei der Rübenernte und Saat." Er müsse noch einiges lernen. Denn eigentlich hat der 38-Jährige bislang wenig mit Landwirtschaft zu tun, sondern ist Sportwissenschaftler und bietet Gesundheitsförderung und entsprechende Kurse an - auch an der Reichsbahnstraße. Dort, wo bis in die 1980er-Jahre noch Milchkühe standen, wird demnächst ein Hofcafé eröffnet, und dort laufen Kurse wie Stressmanagement oder Rückentraining. Das passt irgendwie auch zum neuen Projekt von Christoph Ramcke: den Saisongärten. Denn mit den eigenen Händen im Ackerboden zu graben und zu sehen, wie Kartoffeln, Möhren oder Radieschen wachsen, die man selbst eingepflanzt hat, das kann zufrieden machen und entspannen. "Beim In-der-Erde-Wühlen wird sich der eine oder andere wundern, wie schön körperlich anstrengend das ist."

Das Konzept ist ganz einfach: "Die Leute drücken den Samen selber in den Boden und gucken, ob es etwas wird", sagt Christoph Ramcke. Es wird keinen Bewässerungsservice geben. Man muss schon selbst mit anpacken. "Die Leute sollen aus dem Quark kommen." Lediglich zu Beginn der Saison wird der Acker gepflügt und mit Mist gedüngt. 40 bis 80 Quadratmeter große Feldparzellen stehen bereit: für 90 bis 175 Euro die Saison (März bis Oktober). Eine Parzelle von 80 Quadratmetern reiche in der Regel für den Anbau von Gemüse, Kräutern oder auch Blumen für eine drei- bis vierköpfige Familie. Gartengeräte, Wasser und Informationen zum Gemüseanbau stellt Familie Ramcke bereit. Mehr als 100 Leute machen schon mit, im Alter von 20 bis 70 Jahren. Mehr als die Hälfte von ihnen hat Kinder. Ackerbau als Familienausflug. Es gibt noch genügend freie Parzellen. Wie viel Arbeit in eine erfolgreiche Ernte investiert werden muss, hänge vom Wetter ab. "Ist es feucht, hat man am Anfang viel mit Unkraut zu tun, ist es im Sommer sehr trocken, muss gewässert werden", sagt Christoph Ramcke. Er selbst will auch eine Parzelle bewirtschaften - und Pastinaken anbauen. Wichtig ist ihm dabei, dass alles ökologisch bleibt. Deshalb dürfen auch keine chemischen Dünger eingesetzt werden. Für Kitas oder Vereine stellt Ramcke eine Parzelle auch kostenlos zur Verfügung. "Ich möchte etwas für die Region machen. Mir liegen Eidelstedt und die Jugendlichen hier am Herzen", sagt er. Der siebten Generation Ramcke nimmt man das auch sofort ab.