Am 3. Mai eröffnet das Lichtspielhaus in Wilhelmsburg nach knapp 30 Jahren Leerstand - für einen Sommer. Insgesamt 60 Freiwillige spendeten in den vergangenen fünf Monaten 1500 Stunden ehrenamtliche Arbeit.

Hamburg. In Variationen sagen alle das Gleiche, wenn sie den alten Kinosaal betreten. Zusammengefasst klingt das dann wie ein großes, erstauntes "Wow!", weil man schon Tomaten auf den Augen haben muss, um dem Charme von Deckenstuck, 70er-Jahre-Beleuchtung, Samtvorhang oder cordbezogenen Stuhlreihen nicht zu sehen. Allein das von Kippen vernarbte Parkett zeugt von einer Zeit, in der die Welt zwar auch nicht in Ordnung war, aber im Kino immerhin noch geraucht werden durfte.

Stephan Reifenrath hat von Anfang an an den Zauber dieses alten Kinos geglaubt. Zuerst war die Idee, dann kam eine Menge Arbeit, und inzwischen ist es Gewissheit: Wilhelmsburg bekommt sein Kino zurück. Am 3. Mai schließt Reifenrath die Rialto-Lichtspiele am Vogelhüttendeich nach knapp 30 Jahren Leerstand wieder auf. "Und viele Wilhelmsburger sagen: Das ist ja voll geil", sagt Reifenrath. Selbst wenn die Spielzeit nur 180 Tage dauert.

1985 hatte das Lichtspielhaus als letztes der ehemals acht Kinos auf der Elbinsel geschlossen. Knapp 30 Jahre später kauften der Unternehmer Reifenrath und sein Partner Christian Steinberg den sich selbst überlassenen Flachbau mit dem Ziel, ihm noch einmal Leben einzuhauchen. "Viele erinnern sich heute noch, wie sie hier die Filme der 70er- und 80er-Jahre gesehen haben", sagt Reifenrath. Mit Kino, Lesungen, Theater und Konzerten frischt er diese Erinnerung nun auf.

Insgesamt 60 Freiwillige spendeten in den vergangenen fünf Monaten 1500 Stunden ehrenamtliche Arbeit. Sie sicherten die Decke, saugten Staub oder montierten die alte Notbeleuchtung aus dem Grindel-Kino. Hinzu kamen 140.000 Euro als Sachleistungen. Trockengebläse für die feuchten Wände, ein neues Dach, eine neue Leinwand, ein neuer Fußboden, neue Toiletten oder 300 Sitze aus dem ehemaligen City-Kino wurden gespendet. Zusammen reichte das, um das Bezirksamt Mitte von einer befristeten Nutzungsgenehmigung zu überzeugen. Für mehr nicht. Denn der Lack ist noch immer mächtig ab. Es staubt, bröckelt und rieselt an allen Ecken und Enden. Mindestens 500.000 Euro und unzählige zu erfüllende Auflagen wären nötig, um das Haus dauerhaft zu reaktivieren.

Aber gerade das Morbide wirkt auf seltsame Art anziehend und hat viele Fans. Liedermacher Bernd Begemann und Schriftsteller Harry Rowohlt haben ihr Kommen zugesagt. 100 Jahre nachdem das Lichtspielhaus als "Reiher Theater" erbaut wurde, gibt es eine Renaissance fast vergessener Zeiten. Das soll laut Reifenrath auch als kleines Kontrastprogramm zu Gartenschau und Bauausstellung gesehen werden, die Wilhelmsburg gerade auf links drehen. Denn es gebe vergünstigte Insulanertickets für alle Veranstaltungen und moderate Preise, weil namhafte Getränkehersteller ihre Produkte zur Verfügung stellen. Auch unter den freiwilligen Helfern waren überwiegend Wilhelmsburger.

Das kurze Gastspiel des Rialto soll eine Reminiszenz an den Stadtteil werden. Deshalb ist es kein Zufall, dass viele Insulaner beim Programm mitwirken oder die Tochter des ehemaligen Betreibers bei der Eröffnung zu Gast ist. "Denn ich höre immer wieder", sagt Stephan Reifenrath, "dass die Wilhelmsburger total happy sind, dass ihr Rialto noch einmal aufmacht."