Nachhaltigkeits-Kaufhaus Vivo macht seit zehn Jahren Verluste. FDP fordert Verkauf des 40-Millionen-Euro-Projekts. “Man muss endlich die Reißleine ziehen“, sagt ihr wirtschaftspolitische Sprecher.

Hamburg. Es sollte das größte Öko-Kaufhaus Europas werden, ein Zentrum für rund 90 Anbieter aus der Bio-Branche unter einem Dach und mit 400 Arbeitsplätzen mitten in Altona. Doch vor genau zehn Jahren platzte der Öko-Traum, der sich so verordnet nicht realisieren lassen wollte. Es fanden sich schlicht zu wenig Öko-Firmen, die dort Mieter werden wollten. Mehr als 40 Millionen Euro kostete das städtische Projekt den Steuerzahler, noch immer macht das Haus jedes Jahr rund 1,25 Millionen Euro Verlust. Die FDP-Bürgerschaftsfraktion fordert daher jetzt das städtische Gebäude zu verkaufen. "Man muss endlich die Reißleine ziehen", sagt ihr wirtschaftspolitische Sprecher Thomas Sönke Kluth.

Mieter in dem einst als "Nachhaltigkeits-Zentrum" titulierten Komplex sind heute tatsächlich zu großen Teilen Behörden - aber auch ein Fitnessstudio oder ein Fotofachgeschäft. Im lichtdurchfluteten und überdachten Innenhof geht es eher beschaulich zu, nur ein Café scheint gut besucht. Die städtische und eigens für das Vivo gegründete Immobiliengesellschaft hat Hamburg allerdings jetzt stillschweigend sterben lassen. Fortan soll das dreistöckige Glashaus von der ebenfalls städtischen VHG (Verwaltung Hamburgischer Gebäude GmbH&Co.) gemanagt werden, teilte die Finanzbehörde auf Anfrage des Abendblatts jetzt mit.

Das Unternehmen betreue besonders "Spezialimmobilien" wie Rathäuser oder Gerichtsgebäude. Der Übergang diene der "Konsolidierung". Ein Verkauf des Hauses sei aber nicht geplant, wies der Behördensprecher die Forderungen der FDP zurück. Denn die Vermietungsquote habe in den vergangenen Jahren immerhin zwischen 90 und 95 Prozent gelegen. "Und aktuell zeichnet sich ab, dass wir voraussichtlich ab 1. Juli voll vermietet sein werden", sagt Behördensprecher Daniel Stricker. Auch künftig sei aber mit Verlusten zu rechnen, weil sie "strukturell" bedingt seien. Denn die Finanzierung der Baukosten könne noch nicht vollkommen durch Mieteinnahmen gedeckt werden. Es handele sich, so Stricker, eben um eine "Spezial-Immobilie".

Wohl wahr: Eigentlich sollte das architektonische ambitionierte Gebäude an der Bahrenfelder Straße/Gaußstraße in Ottensen im Oktober 2002 eröffnet werden. Ein Traum in Rot-Grün, das von SPD und GAL im Senat in den 1990er-Jahren vorangetrieben worden war. Aber auch Handels- und Handwerkskammer waren neben der Stadt an der "Hamburger Gesellschaft für Grundstücksverwaltung und Projektplanung" beteiligt, die als Bauherr und Investor auftrat. Die Idee eines städtisch betriebenen Gewerbehofes ging sogar auf eine Initiative der Handwerkskammer zurück.

Zur Grundsteinlegung reiste eigens die damalige grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast an. Ein Ökokaufhaus mit immerhin 20.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und damit fast so groß wie das Mercado in Ottensen, nachhaltig, biologisch - damit wollte man Zeitgeistpunkte sammeln. Allein, der wirtschaftliche Erfolg dieser Öko-Vision ließ auf sich warten, Eröffnungstermine wurden immer wieder verschoben.

Noch im März 2003 verkündete die "taz" tapfer "Vivo wird leben" - doch dann wurde wenige Tage später vom nun CDU-geführten Senat das Aus für das Öko-Konzept verkündet. Es habe sich als wirtschaftlich nicht tragbar erwiesen und beinhaltete "erhebliche finanzielle Risiken", hieß es nun bei der Stadt.

Stattdessen zogen Behörden in den auffälligen Glaskomplex ein - so das Gesundheitsamt des Bezirks Altona. Nun sah das Konzept eine Belegung "ohne inhaltliche Beschränkungen" vor. Man habe auch einen Verkauf geprüft - doch das hätte zu wirtschaftlich nicht vertretbaren Belastungen geführt, hieß es seinerzeit in einer Mitteilung der Finanzbehörde.

Tatsächlich hatte sich bereits im Vorfeld der allgemeinen Durchhalteparolen das Desaster abgezeichnet. Ursprünglich sollte das Haus 33 Millionen kosten, dann kletterte der Preis auf rund 46 Millionen. Nicht nur wegen der reinen Baukosten, auch Marketing und Anwerbung von Mietern sei immer teurer geworden, heißt es in juristischen Analysen. Insider aus der Bio-Branche sprachen vom falschen Konzept am falschen Ort. In Ottensen habe es bereits viele Bioläden gegeben, für ein ganzes Zentrum sei der Markt zu klein. Die Hamburger FDP lehnt das Konzept von städtisch betriebenen Gewerbezentren sogar grundsätzlich ab. Das Planen und Bauen solcher Projekte sollte man nicht mit Steuergeld finanzieren, sondern "denen überlassen, die davon wirklich etwas verstehen", sagt Wirtschaftspolitiker Kluth.