Er hat mit seinen Motoren den Flugzeugbau revolutioniert. Nun steht der Unternehmer Frank Thielert vor Gericht. Wegen Betrugs.

Hamburg. Ein ehrgeiziger Gründer, der seine schnell wachsende Firma an die Börse führt, aber bald darauf ins Schleudern gerät und nach der Pleite vor Gericht muss - in diesen Punkten ähnelt die Geschichte des Frank Thielert den Schicksalen mancher Internet-Unternehmer aus der Zeit des Neuen Marktes.

Doch damit enden die Parallelen auch schon. Der Börsengang der damaligen Thielert AG mit Sitz in Hamburg fand erst im November 2005 statt, und das Produkt, das ihr Chef entwickelt hatte, war sehr handfest: ein Dieselmotor für Sport- und Schulflugzeuge. Das war eine Weltneuheit. Mehr als eine halbe Milliarde Euro war das Unternehmen zeitweise an der Börse wert. Zu besten Zeiten arbeiteten rund 350 Beschäftigte für Thielert, davon etwa 50 in Hamburg.

Am Mittwoch hat der Prozess gegen den Firmengründer begonnen. Im Saal 505 des Hamburger Strafjustizgebäudes wurde die Anklage gegen Frank Thielert, 48, und zwei frühere Führungskräfte des Flugmotorenbauers verlesen. Es geht um Kapitalanlage- und Kreditbetrug sowie um Urkundenfälschung. Im Jahr 2004 soll Thielert die Buchung von Scheinumsätzen im Umfang von insgesamt 6,5 Millionen Euro veranlasst haben, um der Firma einen Bankkredit zu sichern und einen Gewinn im Jahresabschluss 2004 ausweisen zu können - dieser war auch Grundlage für den Börsengang. Thielert, elegant gekleidet in einen dunkelgrauen Anzug, hörte gelassen zu. Er hat die Vorwürfe stets bestritten. Sie seien "plump und falsch", hatte er bei ihrem Bekanntwerden gesagt. Es sei zudem eine branchenübliche Besonderheit, dass Umsätze verbucht werden, auch wenn ein Auftrag noch nicht vollständig abgerechnet ist.

Mit einem schnellen Urteil ist nicht zu rechnen, schon weil die Materie so komplex ist: 29 Kartons voller Unterlagen hatten die Ermittler sichergestellt. Die angesetzten Verhandlungstermine reichen bis Ende Juli.

Die Verteidigung stellte gleich zu Beginn einen Antrag, den Prozess um eine Woche auszusetzen, weil es personelle Änderungen auf der Richterbank gegeben hatte. Schon die Verlesung der Anklage wollten die Anwälte verhindern. Der Text enthalte unzulässig wertende Formulierungen, argumentierten sie. Frank Thielert wird also Geduld brauchen. Zumindest in jüngeren Jahren fehlte sie ihm offenbar. Motoren waren seine Leidenschaft, und an ihnen wollte er so bald wie möglich arbeiten: Thielert bricht die Schule nach der zehnten Klasse ab und beginnt eine Lehre als Automechaniker, die er nach verkürzter Ausbildungszeit als Jahrgangsbester abschließt.

Das Abitur holt er später auf dem zweiten Bildungsweg nach, doch ein Studium zum Wirtschaftsingenieur bricht er nach dem zweiten Semester ab und macht sich lieber als Mechaniker für Rennautomotoren und als Händler für Maserati- und Lotus-Sportwagen selbstständig. Im Jahr 1995 entwickelt er für Volvo einen Motor für das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, bald darauf gehört auch Porsche zu den Kunden. Auf Anregung des früheren Lotus-Inhabers steigt er schließlich in den Flugmotorenbau ein.

Die Idee klang überzeugend: Durch den Einsatz von Dieselmotoren lassen sich der Verbrauch und die Betriebskosten von kleineren Propellerflugzeugen drastisch senken - das versprach ein enormes Marktpotenzial, denn solche Flugzeuge von Herstellern wie Cessna, Piper und Diamond sind in großer Zahl überall auf der Welt in Betrieb. Im Jahr 2000 startete erstmals ein Flugzeug mit einem Thielert-Aggregat.

Doch dann kam dem Firmenchef ein Streit mit einem Ex-Geldgeber aus Flensburg in die Quere. Auf dessen Betreiben wurden die Abschlüsse der Jahre 2003 bis 2005 für nichtig erklärt, hinzu kam eine Anzeige wegen Bilanzfälschung. Der Börsenkurs stürzte ab, Investoren verloren das Vertrauen, Frank Thielert musste als Vorstand gehen. Dass er seine komplette Beteiligung von 14 Prozent an der Firma verkaufte und dieser den Erlös von 2,65 Millionen Euro als Darlehen zur Verfügung stellte, konnte den Motorenhersteller nicht retten: Im April 2008 meldete die Thielert AG Insolvenz an.

Die Produktion der Motoren in Ostdeutschland aber konnte aufrechterhalten werden, und auch Frank Thielert ist weiter unternehmerisch tätig: Als Geschäftsführer der Hamburger Firma Technology Advisory Partners will er Erfindern helfen, Entwicklungen marktreif zu machen.