Offener Brief: Walter Scheuerl äußert sich nach Farbanschlag. Unbekannte hatten mit Farbe gefüllte Glasflaschen gegen sein Heim geworfen.

Hamburg . In der Nacht vom vergangenen Mittwoch auf Donnerstag haben bisher unbekannte Täter auf das Haus des Bürgerschaftsabgeordneten Walter Scheuerl (parteilos in der CDU-Fraktion) einen Farbanschlag verübt: Sie warfen zwei mit blauer Farbe gefüllte Glasflaschen gegen sein Heim in Blankenese, wo er mit seiner Familie lebt.

Wenige Tage später ging beim Abendblatt ein sogenanntes Bekennerschreiben ein, in dem die Täter erklärten, sie hätten auf die "unmenschlichen Bedingungen" aufmerksam machen wollen, unter denen Textilarbeiter in der Dritten Welt für deutsche Unternehmen ausgebeutet werden. Insbesondere unterbinde Scheuerl gerichtlich "unliebsame Kritik" am Textilunternehmen KiK. In einem offenen Brief äußert sich Scheuerl jetzt auf sehr persönliche Weise zu der Tat

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben Unbekannte mehrere Glasflaschen mit Lackfarbe gegen das Haus meiner Familie geworfen und einen erheblichen Sachschaden angerichtet. Im Bekennerschreiben, das der ermittelnde Staatsschutz als authentisches Schreiben aus der linksradikalen Szene einstuft, wird deutlich, dass es sich um einen Angriff auf die politische Meinungsfreiheit handeln soll. Tatsächlich wurden mit diesem Farbanschlag vor allem Unbeteiligte getroffen: Für meine Frau und meine Kinder sind es nicht nur Farbflaschen gewesen, sondern ein direkter Angriff auf ihre Sicherheit und auf ihr Zuhause. Oder legen die Täter es gerade darauf an?

Der Kernvorwurf im Bekennerschreiben geht dahin, ich sei "umtriebig engagiert gegen emanzipative Regungen aller Art". Als Beispiele werden die "Schulreform" und der "Netzrückkauf" genannt. Der Farbanschlag soll sich also gegen mein politisches Engagement richten. Aber: Können sich die Täter nicht vorstellen, dass wir in unserer Familie auch unterschiedliche politische Auffassungen haben? Sind das die Mittel, mit denen künftig in unserer Gesellschaft miteinander umgegangen werden soll?

Außerdem enthält das Schreiben als Vorwurf, ich sei für das Textilunternehmen "KiK dafür zuständig, unliebsame Kritik zu unterdrücken und gerichtlich zu unterbinden". Fakt ist: Als Rechtsanwalt bin ich im Jahr 2010 für das Unternehmen KiK gegen falsche und unzulässige Darstellungen des Magazins "Panorama" vorgegangen.

Es zeugt von einem besorgniserregenden Verständnis von Meinungsfreiheit (Art. 5 GG), wenn die Täter des Farbanschlages auf das Haus meiner Familie sich nachträglich damit zu rechtfertigen versuchen, nachweislich falsche und unzulässige Darstellungen seien nur "unliebsame Kritik" am Unternehmen gewesen. Hat nicht jeder in unserem Land ein Recht darauf, dass die Medien nichts Falsches über ihn berichten?

Meine Familie und ich haben große Hochachtung für Menschen, die sich z. B. in der Initiative Clean Clothes aufrichtig für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in den Produktionsländern der Dritten Welt einsetzen. Hier gibt es in der Tat auch politisch viel zu tun. Dieser Einsatz vieler aufrichtig denkender und sich ehrlich engagierenden Menschen für mehr Menschlichkeit in den Produktionsländern wird allerdings durch Straftäter wie die Verfasser des Bekennerschreibens diskreditiert. Mit anonymen nächtlichen Farbattacken in Deutschland wollen die Menschen, die sich wirklich für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen in Ländern wie Bangladesch einsetzen, mit Recht nichts zu tun haben.

Was Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung betrifft, sollten wir als Hamburgerinnen und Hamburger entschlossen zusammenstehen. Niemand sollte dafür bedroht werden, dass er selbst oder seine Familienangehörigen sich politisch engagieren und ihre Meinung äußern.

Walter Scheuerl