Der Hamburger Aydin Umutlu bringt die Ali Cola auf den Markt. Das Getränk soll die Integration von Türken fördern. Bei zwei Dutzend Bars und Kiosken steht die Ali Cola bereits in den Regalen.
Hamburg. Was ist Heimat? Aydin Umutlu freut sich, wenn er im Ausland Leute mit Hamburger Slang sprechen hört, wenn sie über den spitzen Stein stolpern, wie man sagt. "Das erinnert mich an meine Heimat", sagt der 39-Jährige lächelnd. Doch wenn dann jemand frage, ob er Deutscher sei, sage er, "nein, Türke" - obwohl er perfekt Deutsch spricht und den deutschen Pass hat. Heimat, das sind für den in Hamburg aufgewachsenen Sohn türkischer Einwanderer zwei Welten. Zwei Welten, die nicht immer einfach zu vereinen sind.
Als der Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin in seinem Buch behauptete, die islamischen Einwanderer würden sich in Deutschland nicht integrieren ("Jeder soll so leben wie er möchte, aber nicht unbedingt bei uns"), und über Erbfaktoren als Hintergrund für ein "Versagen" türkischer Migranten im deutschen Schulsystem spekulierte, fühlte sich Umutlu angesprochen. "Ich war wütend", sagt der Mann mit dem raspelkurzen Haarschnitt.
Um seine eigene Integrationsdebatte anzustoßen, hat Umutlu Ali Cola auf den Markt gebracht. Die Flasche ziert ein Klischee-Türke mit Schnauzbart. Auf der selbst gebauten Homepage alicola.de spielen Kinospots augenzwinkernd auf die Schwierigkeiten der Integration an, thematisieren ein Leben zwischen Sylt und Antalya, Döner und natürlich Ali Cola.
Auch mit schrägen Plakaten wirbt Umutlu für die Brause. Mit "Kopftuchmädchen" hat er das Bild einer Nonne betitelt. Die Christin verhülle schließlich auch ihr Haar, wie eine Muslima. "Es ist nur ein Stück Stoff, und bei Nonnen ist das doch auch kein Problem", sagt Umutlu, und betont, die Frauen, die er kenne, etwa seine Mutter, würden das Kopftuch freiwillig tragen als Zeichen ihrer Religiosität, und keineswegs von ihren Männern dazu gezwungen werden.
Bei zwei Dutzend Bars und Kiosken steht die Ali Cola bereits in den Regalen, und etliche Mails aus ganz Deutschland von Getränkegroßhändlern belegen, dass Umutlus Idee ankommt. Er plane, mit 15 bis 30 Großhändlern zusammenzuarbeiten und dann mehr als 80 Städte in Deutschland zu versorgen. "Und wenn ich mit der Ali Cola genug Geld verdiene, schalte ich Fernsehwerbung auf türkischen Sendern, die hier von den Landsleuten gesehen werden", erzählt Umutlu über seinen Plan, mit dem Getränk etwas zu bewegen. Unter dem Motto "Ali Cola ist cool, Integration ist noch cooler", wolle er damit ein Signal senden an junge Türken. "Sie haben oft türkische Idole, hören türkische Musik", weiß Umutlu, und der Vater von zwei kleinen Kindern sieht auch die Reaktionen in der deutschen Gesellschaft auf Migranten als Ursache für diese Abschottung: "Die Jungs werden hier an der Disco abgewiesen, da suchen sie sich eben etwas anderes", kann Umutlu verstehen, denn aufgrund seines südländischen Aussehens werde auch er zuweilen komisch angeschaut. Dabei ist Ali Cola nicht die erste Brause, der eine politische Motivation zugrunde liegt: 2002 kam die Amerika-kritische Mecca-Cola zunächst in Frankreich auf den Markt. Bis heute verkaufte sich das Getränk in islamischen Ländern und in Großbritannien millionenfach.
Gerade in Hamburg erobern derzeit auch noch viele weitere Getränkeinnovationen die Supermärkte und Bars: Mit "Elbler" starteten kürzlich zwei junge Männer einen Cidre aus dem Alten Land, die Fritz Cola ist bereits in den Szeneläden etabliert. Und die bekannte Bionade errang ebenfalls in der Hansestadt ihre ersten großen Markterfolge - einem experimentierfreudigen Publikum in der Werbe- und Medienhochburg sei dank.
Außerdem werden hier auch noch weitere Brausegetränke mit politischem Hintergrund verkauft: Seit 2012 gibt es Haji-Cola, die nach der muslimischen Reinheitslehre als "halal" (erlaubt) zertifiziert ist. Die Hamburger Limonade LemonAid besteht nach Angaben des Produzenten aus Inhaltsstoffen aus fairem Handel; aus ihrem Verkauf wird jährlich ein Betrag für gemeinnützige Projekte an wirtschaftlich benachteiligte Länder gespendet. Das Ali-Cola-Rezept ertüftelte Umutlu in seiner Küche in Wandsbek mit Zutaten aus der Apotheke, die grobe Richtung gab ein Cola-Rezept aus dem Internet vor. "Ich habe weniger Zucker und weniger Kohlensäure verwendet als beim Klassiker", verrät Umutlu. Produktionspartner ist ein Abfüller aus Süddeutschland. Der gelernte Bäcker, der sich später in der Gastronomie betätigte, verspricht aber schon für dieses Jahr weitere Geschmacksrichtungen. Geplant sind Ali Mix, Ali Apfel und Ali Orange. Außerdem eine türkische Brause, auf die sich Umutlu schon besonders freut. "Die schmeckt dann wie die Zitronenlimonade, die ich aus dem Urlaub in der Türkei kenne."