Hamburger Hochbahn, NDR 90,3 und “Hamburg Journal“ suchen per Casting im Zug neue Sprecher für die Haltestellendurchsage.

Hamburg. Zufrieden faltet die Dame mit dem grauen Haar und der schwarzen Schiebermütze den kleinen Zettel zusammen und steckt ihn in die Tasche: ein Autogramm von Sänger Lotto King Karl. Aber dann ist es Zeit für ein Geständnis: "Ich muss zugeben, ich kenne zu meiner Schande nur ein Lied von Ihnen", sagt Hanne Oversberg, 56, und guckt entschuldigend. "Das mit der Perle." Lotto King Karl, 46, lächelt freundlich weiter. "Ja, das kennen die meisten", sagt er.

Eine Szene aus dem Sonderzug, der Dienstagmittag auf der Ringstrecke der Linie U 3 als fahrendes Castingstudio unterwegs war. Unter dem Motto "Ihre Stimme für Hamburg" sucht die Hamburger Hochbahn in Kooperation mit NDR 90.3 und dem "Hamburg Journal" zehn Aushilfs-Haltestellensprecher. Jeder darf eine Station seiner Wahl ansagen. Zudem machen auch Prominente wie Schauspieler Jan Fedder, Panik-Rocker Udo Lindenberg und Sänger Lotto King Karl mit. Die besonderen Ansagen werden bis Ende Juni zu hören sein. Dann übernimmt Radiomoderatorin Anke Harnack, 33, und wird die neue Stimme der Hamburger U-Bahnen. Interessierte können sich im Internet ( www.ndr.de/903) bewerben. Das Losverfahren entscheidet dann, wer zu den zehn Auserkorenen gehört.

Vielleicht gehört Angelika Wrage dazu. Per Zufall landete sie mit ihrem Mann Klaus und ihren beiden Enkelsöhnen im Castingzug. "Wir sind schon den ganzen Tag unterwegs", sagt die 60-Jährige. "Wir wollen den Kleinen lehren, wie das Zugfahren funktioniert." Die vier wollen zum Hafen - ein Pflichtpunkt bei Ausflügen. "Wir möchten da unbedingt hin", sagt Nick Henri, 6, sofort und wird bei dem Wort Hafen ganz hibbelig. Zum Glück hält der Sonderzug auch an der Station Landungsbrücken. Vorher macht Angelika Wrage aber noch bei dem Casting mit und spricht der NDR-Mitarbeiterin noch ihre Probeansage ins Mikrofon: "Nächste Station Landungsbrücken."

Die Bewerber dürfen nicht in den Führerstand, um ihre Bewerbungen in die richtige Anlage zu sprechen. Dafür werden sie von Promotern samt Namen und Telefonnummer aufgenommen. Als Nächstes ist Björn Fölsche dran. Der 17-Jährige ist extra zum Casting gekommen und eben an der Station Hauptbahnhof zugestiegen. Im Herbst beginnt er eine Ausbildung als Busfahrer bei der Hochbahn, dann gehören Durchsagen zu seinem Alltag. Während eines Praktikums bei einem anderen Busunternehmen durfte er mal ans Mikro. "Da war ich schon aufgeregt", sagt er und weiter: "Das ist ja wie auf einer Bühne, und alle im Bus können es hören." Mit der Zeit habe er sich aber daran gewöhnt. Jetzt will Fölsche die U-Bahn-Station Barmbek ansagen, weil er und viele seiner Kumpels dort wohnen. "Das wäre cool."

Dabei müsste die Station im Hamburger Osten doch Barmbek-Lokalpatriot Lotto King Karl vorbehalten sein, oder? Der Sänger wird aber in Zukunft Hamburger und Touristen über den bevorstehenden Stopp an der Haltestelle Saarlandstraße informieren. Barmbek ist als Verkehrsknotenpunkt mit zahlreichen Umsteigemöglichkeiten für die Aktion nicht geeignet. Und die Saarlandstraße liegt ja immerhin in der Nähe. Als Sänger, Stadionsprecher und Stimme vieler Werbespots ist es für Lotto King Karl keine allzu große Herausforderung, nun bald auch Bahnansagen zu machen. "Aber ich empfinde es als große Ehre", sagt der Musiker.

Lotto King Carl, Moderator Carlo von Tiedemann und Anke Harnack sorgen während der ganzen Castingfahrt für gute Laune. Entweder sie informieren zugestiegene Fahrgäste über die Aktion, bei der die grad zufällig gelandet sind, oder sie gehen durch die Gänge und unterhalten sich mit Fans, Fotos und Autogramme inklusive. Drei Männer von "Hamburg Singt - Der Chor Für Alle" sitzen und stehen zwischendrin und steuern die passende Musik bei. Da dauert es natürlich nicht lange, bis die ersten Töne von Lotto King Karls Hit "Hamburg, meine Perle" erklingen - und (fast) alle Fahrgäste singen mit. NDR-Moderatorin Anke Harnack gefällt die ausgelassene Stimmung. Erst zum Jahreswechsel hat sie erfahren, dass sie die neue U-Bahn-Stimme wird. "Ich habe mich total gefreut ", sagt die Eimsbüttlerin. Das habe nichts mit Eitelkeit zu tun, sondern sei vielmehr ihrem Stolz auf diese Stadt geschuldet. Es gab bereits mehrere Probeaufnahmen in verschiedenen Tonlagen. "Wir haben uns nun für eine freundlich-charmante Version entschieden, die weder zu streng noch zu langsam ist", sagt Harnack. Denn obwohl sie jeden Tag vorm Mikro steht, ist dieser Job Neuland für sie. Sie will die Mitte treffen, die Pendler sollen nicht genervt sein und die Besucher der Stadt alles gut verstehen. "Außerdem entscheiden unsere Hörer ja selbst, dass sie einschalten. In der Bahn hat keiner die Wahl."