Psychologen: Die Risikogruppe ist jung und männlich. Das Einstiegsalter in die Spielsucht liegt bei 16,1 Jahren

St. Georg . Die Psychologin und Psychotherapeutin Gisela Alberti von der "AS - Aktive Suchthilfe e.V." in der Repsoldstraße nahe des Hauptbahnhofs arbeitet bereits seit den 1980er-Jahren auf dem Gebiet der Spielsuchtberatung, -behandlung-, und -prävention. Sie warnt davor, das Suchtpotenzial von Sportwetten zu verharmlosen. "Es geht immer nur um den Kick. Bei jeder Sucht steht der angestrebte Gefühlszustand im Zentrum, wobei die Realität, die Zeit und die Finanzen in den Hintergrund geraten. Die Spielsüchtigen verschulden sich häufig und rutschen nicht selten auch in eine Beschaffungskriminalität." Allerdings besäße die gewerbliche Automatenbranche einen besonders hohen Suchtfaktor: Bei etwa 80 Prozent der Spielsüchtigen dominiere das Spiel an den Glücksspielautomaten, das nach einer Erhebung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen 54,7 Prozent des Gesamtumsatzes (2010) der Glücksspielanbieter ausmacht.

Gisela Alberti verweist auf die Berechnungen des Hamburger Professors für Wirtschaft- und Sozialwissenschaften, Michael Adams: Demnach beruhe das Geschäftsmodell der Automatenindustrie auf krank und süchtig gemachten Menschen. Mit durchschnittlich 22.000 Euro Umsatz, die mit Geldspielautomaten getätigt würden, werde jeweils ein süchtiger Spieler generiert, unabhängig vom Zeitraum. "Die Automatenspielerei ist für den Staat kein lukratives Geschäft, sondern hat lediglich eine schlechte Wohlfahrtsbilanz", sagt die Suchtexpertin.

In den vergangenen zwei Jahren hat sie erhebliche Veränderungen in der Glücksspielszene registriert: "Die größte Risikogruppe bilden nach wie vor männliche Jugendliche und Jungerwachsene, insbesondere mit Migrationshintergrund." Zwischen 2009 und 2010 hat sie in der Jugendhaftanstalt Hahnöfersand einen Anstieg um 60 Prozent an Klienten mit einer Glücksspielproblematik registriert: die absolute Zahl stieg von 45 (2009) auf 72 (2010). Oft beginnen die Jungen bereits mit 15 Jahren in Spielhallen an Automaten zu spielen, das Durchschnittsalter beim Einstieg in die Spielsucht lag bei 16,1 Jahren: "Glücksspiel rangiert dort an dritter Stelle hinter Cannabis und Alkohol, deutlich vor Kokain." Daran zeigte sich, dass der Jugendschutz nicht greife", sagt Gisela Alberti. Auch häuften sich die Fälle von Spielhallenüberfällen; sie würden oft von Spielsüchtigen begangen. Ebenfalls habe sich der Anteil an weiblichen Glückspielerinnen von fünf auf rund 30 Prozent erhöht, "und wir können inzwischen beobachten, dass immer mehr junge Pärchen spielen gehen".

Mit dem neuen Hamburger Spielhallengesetz, das am 29. November 2012 von der Bürgerschaft beschlossen wurde, hat der Senat erneut die Richtung geändert: Kürzere Öffnungszeiten, weniger Spielgeräte pro Halle sowie Trennwände und ein striktes Rauchverbot sollen den häufig ruinösen Aufenthalt in den "Daddelhallen" unattraktiver machen. "Aber die Selbstsperre, das wichtigste Instrument der Spielsuchtprävention, ist leider nicht durchgegangen", klagt Gisela Alberti. Dabei sei ein Sperrsystem heutzutage technisch ohne großen Aufwand möglich. In den staatlichen Spielbanken und sogar im Internet funktioniere das ja auch. "Doch zu einer wirklich kohärenten Spielsuchtprävention", so Alberti ernüchtert, "fehlt der politische Wille wahrscheinlich generell."