Zeitweise findet nur jeder zweite Pendler einen Sitzplatz. Eine Anfrage der Grünen offenbart zu volle Züge im öffentlichen Nahverkehr.

Hamburg. Der U- und S-Bahn-Verkehr kommt wegen der steigenden Fahrgastzahlen immer näher an seine Grenzen. Bis zu drei Prozent mehr Passagiere verzeichnet allein die Hochbahn in jedem Jahr.

Die Senatsantwort auf eine Große Anfrage der Grünen belegt jetzt, was viele Pendler täglich erleben: In Hamburgs S- und U-Bahnen ist es zu den Hauptverkehrszeiten zu voll, um ein Mindestmaß an Bequemlichkeit zu bieten. Besonders problematisch sind die Strecken der S 3 und der S 31. Zu bestimmten Zeiten am Morgen findet nur etwa jeder zweite Pendler, der auf der Strecke der S 3 zwischen Stade und Pinneberg unterwegs ist, einen Sitzplatz. Je näher es Richtung Hamburg geht, desto enger wird es. Damit liegt die Strecke unterhalb der Grenzen zur Beförderungsqualität, die sich die S-Bahn und die Stadt vorgenommen haben.

Im Innenstadtbereich sollten mindestens 56 Prozent der Fahrgäste einen Platz finden, auf den weiterführenden Strecken sogar 80 Prozent. Auf den Linien S 3 und S 31 können diese Werte besonders oft nicht eingehalten werden. "Das ist eigentlich kein Zustand", sagt Till Steffen, Verkehrsexperte der Grünen. Es sei eine erfreuliche Entwicklung, dass es immer mehr Fahrgäste im Hamburger öffentlichen Nahverkehr gebe, schreiben die Grünen im Vorwort ihrer Anfrage. Doch die Pendler müssten auch gute Bedingungen vorfinden. Sonst, so befürchten es die Grünen, würde die Bereitschaft den HVV zu nutzen nicht lange währen, "und der sonst gute S- und U-Bahn-Verkehr verlöre deutlich an Attraktivität". Till Steffen fordert vom Senat, die Spielräume zu nutzen, die es im Nahverkehr noch gebe. Anstatt in eine fragwürdige Busbeschleunigung zu investieren und damit bis 2020 Mittel für den Nahverkehr zu binden, solle der Senat das Geld im U- und S-Bahn-Verkehr anlegen.

Denn dass die aktuelle Situation nicht mehr lange ausreichen wird, zeigen die weiteren Zahlen aus der Anfrage. Nicht nur auf den bekannten Strecken der S 3 und der S 31 ist es oft zu voll. Auch auf den übrigen Strecken von S- und U-Bahn drängen sich immer häufiger immer mehr Fahrgäste als geplant in die Züge. So zeigen die Statistiken der S-Bahn Hamburg, dass beispielsweise die Züge der S 1, die von 9 Uhr an zwischen Bahrenfeld und Altona verkehren, überfüllt sind. Statt der gewünschten 80 Prozent bei der sogenannten Beförderungsqualität werden hier im Mittelwert nur 75 Prozent erreicht. Eine Besserung ist für die Pendler im S-Bahn-Verkehr nicht in Sicht.

In der Antwort auf die Anfrage der Grünen schreibt der Senat, dass das Angebot auf allen Linien der Nachfrage entspreche. Zurzeit sei keine Ausweitung geplant. Möglich wäre das - zumindest auf einigen der Strecken. Auf der Linie S 11 könnten beispielsweise Lang- statt Kurzzüge eingesetzt werden. Auf den Linien S 3 und S 31 gibt es diesen Spielraum nicht. Falls erforderlich könnten jedoch weitere Verkehrsleistungen für die Strecke zwischen Harburg und Altona eingekauft werden, heißt es. Nach Abendblatt-Informationen soll das zwar mit dem neuen Vertrag zum Betrieb des S-Bahn-Netzes erfolgen, aber dieser wird erst im Jahr 2018 in Kraft treten.

Etwas besser sieht es momentan noch bei der U-Bahn aus. Nach den Angaben, die aus der Anfrage der Grünen hervorgehen, ist die U 1 die Strecke mit den höchsten Fahrgastzahlen. Von allen U-Bahnen befördert die U 1 zwischen 8 und 9 Uhr morgens im Bereich Wartenau und Lübecker Straße die meisten Passagiere. Bis zu 6560 Pendler passieren diese Haltestellen innerhalb dieser Stunde.

"Hier ist noch Luft nach oben", sagt Till Steffen. Eine deutliche Angebotsausweitung bei allen U-Bahnen sei möglich, heißt es auch von der Hochbahn. Falls nötig könne man den Takt, in dem die U-Bahnen fahren, auf zweieinhalb Minuten erhöhen. Derzeit gibt es in der Regel Fünf-Minuten-Takte und falls nötig auch drei U-Bahnen in zehn Minuten. "Allerdings brauchen wir zusätzliche Züge", sagt Christoph Kreienbaum, Sprecher der Hochbahn. Schon jetzt zeichne sich ab, dass die neu bestellten Züge nicht ausreichen, um dem Fahrgastaufkommen gerecht zu werden und gleichzeitig - wie geplant - alte Fahrzeuge auszusortieren. "Das Tempo, die Züge herauszunehmen, werden wir verlangsamen", kündigt Kreienbaum an. Außerdem gebe es erste Überlegungen, wann die Hochbahn weitere Züge bestellen werde. Früher habe es gereicht, alle 20 Jahre neue Fahrzeuge zu bestellen. Bei der aktuellen Fahrgastentwicklung werde man aber nicht bis 2026 warten können. 2006 hatte die Hochbahn damit begonnen, die Züge entwickeln zu lassen, die jetzt geliefert werden.

"Die Hochbahn hat die steigenden Fahrgastzahlen in den U-Bahnen im Moment noch weitestgehend im Griff", sagt Verkehrspolitiker Steffen. "Die Beförderungsqualität ist damit derzeit meist recht ordentlich." Allerdings sei die Anschaffung neuer Züge ein langwieriger und kostspieliger Prozess. Deshalb sei es ein Problem, dass der Senat mehrere Hundert Millionen Euro für das Busbeschleunigungsprogramm bindet. Für die U-Bahnen sei "eine vorausschauende Planung notwendig, die flexibles Agieren bei Engpässen notwendig macht". Sonst drohten auch dem U-Bahn-Verkehr mittelfristig "Zustände wie schon heute in den Stoßzeiten der S 3 zwischen Altona und Harburg Rathaus: voll gestopfte Züge, unzufriedene Fahrgäste, keine kurzfristige Kapazitätserweiterung möglich."