Politisches Ziel ist kostenfreies Surfen überall in der Stadt. Die Vereinigung Freifunk Hamburg arbeitet bereits erfolgreich daran.

Hamburg. Es klingt technisch kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach. Zumal es dem politischen Willen entspricht. Hamburg soll flächendeckend mit kostenlosen Internetzugängen ausgestattet werden. In Parks, auf Plätzen und an jedem anderen Ort soll das Surfen möglich werden. Dafür startet im Frühjahr laut Stadtentwicklungsbehörde zunächst ein Pilotprojekt bei der Internationalen Gartenschau (igs) und der Bauausstellung (IBA). Nach einem Bürgerschaftsbeschluss heißt das erklärte nächste Ziel des SPD-Senats: freies Netz für alle, und zwar überall.

Doch während auf politischer Ebene noch geplant wird, schafft eine Initiative bereits jetzt Tatsachen für die digitale Stadt. Eine Bewegung von vielen für alle ist ins Rollen gekommen. Freifunk Hamburg heißt der neue, nichtkommerzielle Zusammenschluss. Die Grundidee der Vereinigung ist, Hamburgern und Touristen kostenfreies Surfen anzubieten. Sebastian Beyer und Matthias Marx, zwei internetaffine Studenten, gehören zu den Aktivisten. Mit technischer Unterstützung und fundierter Informationsarbeit rüsten sie seit einigen Wochen immer mehr Haushalte für das öffentliche Netz um. "An 72 Orten in Hamburg gibt es bereits freies WLAN. Ohne Anmelden, ohne Registrieren, ohne Passwort", sagt Matthias Marx. "Mehrere Tausend Anschlüsse" wären nötig, um das gesamte Stadtgebiet mit Freifunk zu versorgen. Dabei ist für die Initiative der barrierelose Zugang entscheidend. Er unterscheidet die Freifunker fundamental von kommerziellen Anbietern, die an sogenannten Hotspots in Hotels oder Cafés nur mit Registrierung kostenfreies Internet ermöglichen.

Matthias Marx, 24, wirkt weder wie ein Guerillakämpfer des Internets, noch steht er gedanklich oder politisch der Piraterie nahe. Er ist nicht mal besonders selbstlos: "Ich mache mit, weil ich selbst profitiere, wenn ich mal nicht zu Hause bin und surfen möchte." Der Informatikstudent wohnt in Harburg, einem der Ballungsräume der Initiative. "In einigen Straßen in Harburg und Wilhelmsburg gibt es bereits Knoten", sagt er. Das heißt: Mehrere Leute verknüpfen ihre heimischen, kabellosen Netzanschlüsse und bieten private Internetzugänge öffentlich an. Man könne sich das als Wolke über einer Straße vorstellen, als Internet-Zugangsportal vor der Haustür, sagt Marx.

Wie so oft im Leben ist Freifunk dabei eine Frage der Einstellung - und der richtigen Technik. Sebastian Beyer erklärt: "Die Idee basiert auf dem Solidaritätsprinzip. Wer mitmachen will, braucht im Grunde nur einen Internetanschluss und einen handelsüblichen Router, also ein Netzwerkgerät."

Der finanzielle Aufwand jedes Einzelnen halte sich in Grenzen. Für 15 Euro seien die kleinen Sender mit einer Reichweite von bis zu 100 Metern erhältlich. Den Unterschied macht dann die von den Freifunkern gestellte Software. Sie ermögliche es, privates WLAN gefahrlos mit der Allgemeinheit zu teilen und sich mit anderen Freifunkern zu koppeln. Je mehr Funker, desto dichter das Netz. Sicherheitsbedenken müsse dabei niemand haben, sagt Matthias Marx. "Es ist möglich, weiter mit Passwort seinen Privatanschluss zu nutzen und gleichzeitig einen Teil der Leistung für andere bereitzustellen." Einziger Knackpunkt in Deutschland sei die sogenannte Störerhaftung. Vereinfacht gesagt bedeutet sie: Wer den Internetanschluss bereitstellt, haftet auch für eventuellen Missbrauch durch Nutzer wie illegale Downloads. "Aber erstens haben wir bei uns eine Art Gentlemen's Agreement, bei der sich jeder Anbieter verpflichtet, im Rechtsrahmen zu bleiben." Zweitens werde der Freifunk-Datenverkehr - und das sei erlaubt - über Geräte im Ausland gelenkt. "Denn wenn es zur Verfolgung kommt, wird es sehr schnell sehr teuer", sagt Matthias Marx. Und zwar absurderweise nicht für den fehlgeleiteten Nutzer, sondern für den Inhaber des Internetanschlusses.

Die Störerhaftung ist auch ein Grund für das Zögern der Hamburger Politik und dafür, dass viele Cafés ihr freies Internet eingeschränkt haben. "Es gibt leider noch keine bundesweite Rechtssicherheit in puncto Störerhaftung", sagt Hansjörg Schmidt, Fachsprecher für Netzpolitik der SPD-Bürgerschaftsfraktion. "Aber die Hamburger Bundesratsinitiative zur Klärung dieser Frage hatte Erfolg. Jetzt muss die Bundesregierung handeln."

Bis Hamburg der "digitalen Stadt" Paris folgt - dort gibt es nahezu flächendeckendes WLAN - wird es demnach noch etwas dauern. Zumindest mit politischer Unterstützung, obgleich der Wille für freies Internet in der Bürgerschaft parteiübergreifender Konsens ist. SPD-Netzsprecher Schmidt begrüßt deshalb sowohl private Initiativen wie die Freifunker, als auch kommerzielle Anbieter, die sich für freies Internet einsetzen. "Die Idee von Freifunk finde ich gut. Letztlich ist es aber egal, wie man im Park seine Leitung aufbaut."

Wichtig sei, dass Hamburg dieses Angebot habe. Auch als Standortfaktor. "Es ist ein gern gesehener Service." Zugleich sei es eine nicht zu unterschätzende Werbemaßnahme. Beim Pilotprojekt der igs und der IBA, zunächst sind von April bis Oktober drei Hotspots im Wilhelmsburger Park geplant, könnten Touristen auf den Geschmack kommen. Auch die Initiative Freifunk Hamburg hat ihre Unterstützung angeboten. Vermutlich wird sich die Stadtentwicklungsbehörde aber für ein gesponsertes Modell entscheiden.

Mehr Informationen im Netz: hamburg.freifunk.net. Eine Karte mit bisherigen Hotspots in Hamburg findet sich unter: knotenkarte.de