Das Start-up-Unternehmen Xtal Concepts macht winzige Teilchen sichtbar. Um Kosten zu sparen, tüfteln die Hamburger in einem Hinterhof.

Hamburg. Vielleicht liegt es an den manchmal feuchten Wänden. Oder an dem zugigen Tor. Warum weiß keiner, aber Garagen haben in der Wirtschaftsgeschichte eine bedeutsame Rolle gespielt. Zahlreiche Weltkonzerne sind in Hinterhöfen gegründet worden. Hewlett-Packard, Apple und Google sind die bekanntesten Beispiele. Aber auch Ford, Mattel und Harley-Davidson sind in Garagen entstanden. Selbst die Megafluggesellschaft Delta Airlines hat in einer kleinen Abstellhalle für landwirtschaftliche Flugzeuge im US-amerikanischen Georgia begonnen und damit den Mythos des Siegeszuges von Garagenfirmen genährt.

An diesem Morgen will Frank Horch ein neues Kapitel in der Geschichte der Garagenfirmen aufschlagen. Hamburgs Wirtschaftssenator (parteilos) steht vor zwei schmutzig grauen Toren in einer Seitenstraße in Stellingen. "Einfahrt bitte freihalten", mahnt ein großes Schild zwischen den Garagentoren. "Xtal Concepts" steht klein daneben. Hinter den Holztoren mag man vieles vermuten, nur nicht das, was Horch bei seinem Besuch erwartet. Xtal Concepts ist ein Start-up-Unternehmen der Nanotechnologie. Die Firma stellt für Kunden weltweit Geräte her, mit denen kleinste Teilchen sichtbar und beeinflussbar gemacht werden, die für die Betrachtung normaler Mikroskope zu winzig sind.

Horch geht durch das eine Tor und kommt zunächst in einen nüchternen Büroraum. Nein, muffig riecht es hier nicht - schon gar nicht schimmelig-feucht. "Es sieht vielleicht schrecklich aus hier in der Garage, aber glauben Sie mir: Wir machen hier ganz tolle Sachen", sagt die Geschäftsführerin von Xtal Concepts, Annette Eckhardt, mit einem Lächeln zur Begrüßung. Dann führt sie den Senator durch das Büro in das dahinterliegende Labor und zum Durchgang in die zweite Garage mit der Werkstatt.

Bei Xtal Concepts drehe sich alles um Proteine, erzählt sie. Diese geben Zellen nicht nur eine Struktur sondern sind so etwas wie deren Motor, indem sie chemische Prozesse in den Zellen in Gang setzen und den Stoffwechsel antreiben. Nicht nur in der Lebensmittelbranche spielen Proteine eine große Rolle, sondern auch in der Medizin. So sind beispielsweise bestimmte Proteine dafür verantwortlich, dass Grippeviren an menschliche Zellen andocken. Kann man diese Proteine ausschalten, bleibt der Mensch gesund.

Dazu muss man sie isolieren. Wenn sie eben nur nicht so klein wären. Proteine messen wenige Nanometer, das sind millionstel Millimeter. 100 Millionen Proteine nebeneinander ergeben also etwa den Durchmesser eines Apfels. Um die Struktur dieser Moleküle bestimmen zu können, werden sie kristallisiert und mittels Röntgenlicht in ihrem Aufbau sichtbar gemacht. Xtal vertreibt eine Reihe von Geräten, mit denen solche Kristalle erforscht werden können und eine weltweit innovative Maschine, die die Kristalle praktischerweise gleich herstellt, und zwar wesentlich zuverlässiger als herkömmliche Geräte. "Mit dem Xtal Controller konnten wir schon zahlreiche Proteine kristallisieren, bei denen dies bisher nicht gelang", sagt Eckhardt. Sie ist Physikerin, hat aber zehn Jahre in der Industrie Vertriebserfahrung gesammelt.

Auch die anderen drei Mitglieder des Teams, stehen nicht gerade am Anfang ihres Berufslebens. Neben dem Konstruktionstechniker Dierk Hillerhaus sind es der Physiker Karsten Dierks und der Biochemiker Arne Meyer. Das Gründerprogramm des Bundes namens EX ist hat sie aus ihren Universitätslaboren hinein in den Garageninkubator geschleudert, in dem sie jetzt diese hochtechnologischen Produkte ausbrüten. Auch die haben ihre Vorgeschichte. Sie gehen nämlich auf Forschungsprojekte der Biochemiker Rolf Hilgenfeld und Christian Betzel an den Universitäten Lübeck und Hamburg zurück. Beide Professoren sitzen heute im Beirat der Firma.

Die gibt es seit April 2012, und ihr Start war schwierig. Xtal Concepts hat Kunden weltweit, vertreibt aber keine Massenprodukte und strebt realistischerweise ein langsames Wachstum an: "Unser Umsatzziel sind sechs Millionen Euro bis 2016", sagt Eckhardt. Banken ist das zu unsicher. Sie verweigern Kredite. Und da die Herstellung der Xtal-Geräte viel Geld kostet, ist das Unternehmen auf hohe Anzahlungen seiner Kunden angewiesen. Derzeit hält sich die Firma mit öffentlichen Fördergeldern des Bundes, der Hamburger Innovationsstiftung sowie des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung über Wasser. "Ohne unsere Hilfe würde es dieses Projekt nicht geben", sagt Heiko Milde vom Innovationsstarter Fonds Hamburg, der den Senator bei dessen Besuch begleitet. Das knappe Geld erklärt auch die ungewöhnliche Produktionsstätte: "Für uns ist die Nähe zum Forschungszentrum Desy wichtig. Dort treffen wir viele Kunden", sagt Eckhardt. Wir haben uns auch nach anderen Räumen umgesehen, aber nichts in unserer Preisklasse gefunden." Horch findet die Gründer dennoch großartig. "Ich möchte genau solche Projekte fördern: An der Uni geborene Ideen, die zu innovativen Firmen führen - und sei es über den Umweg der Garage."