Sie sind eine wichtige Stütze unserer Rechtsprechung. Bis Ende März können sich Hamburger auch aktiv für das Pflicht-Ehrenamt bewerben.

Neustadt. Sie sind die Richter ohne Robe - und oft auch ohne Fachwissen. Und doch sind sie unverzichtbar und eine wichtige Stütze unserer Rechtsprechung: die Schöffen. Sie vertreten das Volk, in dessen Namen jedes Urteil in Deutschland gefällt wird. Ein Pflicht-Ehrenamt. Und doch eines, für das man sich begeistern und auch explizit bewerben kann.

"Ich brenne für das Schöffenamt", sagt Leonore Matouschek, Vorsitzende des Landesverbands Nord und seit acht Jahren Ehrenamtliche Richterin in Hamburg. "Es bietet mir die Möglichkeit zur Teilhabe bei der Gestaltung unseres gesellschaftlichen Miteinanders", erklärt die 60-jährige Kunsttherapeutin. Derzeit sucht Hamburg Schöffinnen und Schöffen für die Amtszeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018. Für das Amt kann man sich auch bei den Bezirksämtern bewerben. Die Frist endet Ende März. Insgesamt werden rund 8000 Kandidaten benötigt, aus deren Kreis die rund 4000 Schöffen gewählt werden. "Schöffen bringen ihre Lebens- und Berufserfahrung in die gerichtlichen Entscheidungen ein", sagt Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD). "Unsere Justiz wird dadurch bürgernäher und transparenter. Durch sie wird die Urteilsformel 'Im Namen des Volkes' mit Leben erfüllt."

Schöffin Leonore Matouschek sieht weitere Vorteile: "Ich bekomme in den Prozessen Einblicke über Menschen, mit denen ich sonst nicht verkehre. Ich denke darüber nach, was sie für Lebensumstände und Schicksale durchlebt haben. Die kommen dann vor Gericht auf den Tisch."

Die 60-jährige Kunsttherapeutin Matouschek räumt kräftig auf mit dem Vorurteil, Schöffen seien kaum mehr als Beiwerk in der Justiz und ohne echten Einfluss. "Wir sind nicht nur Dekoration am Richtertisch. Wir haben sehr wohl Anteil an der Rechtsprechung", betont die Vorsitzende des Landesverbands Schöffen Nord.

Tatsächlich haben Schöffen in allen Beratungspunkten bei der Urteilsfindung das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter und können ihn sogar überstimmen. Zudem ist im Gesetz festgelegt, dass die Laienrichter ihren Vorschlag für ein Urteil vor dem Berufsrichter abgeben. So soll sichergestellt werden, dass Schöffen unbefangen sind.

In diesen Tagen erstellen die Bezirksämter Listen mit Personen zwischen 25 und 70 Jahren, die einen möglichst repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abgeben, die dann angeschrieben und aus denen schließlich die Schöffen ausgewählt werden. Der Ehrenamtliche Richter ist ein Pflicht-Ehrenamt, das heißt, dass die Berufung nur im Ausnahmefall abgelehnt werden darf.

Befreit werden können beispielsweise Personen, die im medizinischen Bereich tätig sind wie Ärzte und Krankenschwestern. Ferner dürfen Bürger ablehnen, die glaubhaft machen, dass sie "die Fürsorge für ihre Familie durch Ausübung des Amtes in besonderem Maß beeinträchtigen würde", wie etwa Mütter kleiner Kinder. Ausnahmen bei der Pflicht zum Schöffenamt bilden auch die Menschen, für die die Ausübung eine besondere Härte bedeuten würde, weil ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage erheblich beeinträchtigt würde. Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Schöffen für Prozesse freizustellen.

Die Ehrenamtlichen Richter sollen nicht zu mehr als zwölf Verhandlungen pro Jahr herangezogen werden. Allerdings kann sich dies auch deutlich zeitaufwendiger gestalten, wenn eine Hauptverhandlung mehrere Fortsetzungstermine hat. Auch beim Schöffenverband gibt es immer wieder Anfragen von Bürgern, die von ihrem Amt befreit werden wollen. Zum Beispiel die schwangere Frau, die in einem Prozess Schöffin war, der sich über etliche Wochen erstreckte und die sich auch noch eine massive Erkältung zuzog. Doch der Vorsitzende Richter entließ sie nicht aus ihrer Pflicht. Der gesamte Prozess hätte wieder ganz neu aufgerollt werden müssen, weil ein Richter, auch der Ehrenamtliche, nicht einfach ersetzt werden kann.

"Unbequem kann das Schöffenamt auch für alle Freiberufler wie Grafiker werden", weiß Leonore Matouschek aus ihrer Erfahrung. "Dann nämlich, wenn ihr Beruf davon abhängt, dass sie flexibel und sofort Aufträge annehmen können." Auch gab es den Fall eines Studenten kurz vor dem Abschluss, dem bei der Berufsberatung gesagt wurde, das Schöffenamt könne sich negativ auf seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausüben. Hier müsse geklärt werden, ob ein gefährdeter Einstieg ins Berufsleben als Härtefall gilt, erklärt Schöffin Matouschek.

Doch trotz Zeitaufwand: Ihre Erfahrungen als Ehrenamtliche Richterin möchte Matouschek nicht missen. "Es wird etwas geschärft in der eigenen Persönlichkeit. Früher dachte ich, dass bestimmte Urteile milde erscheinen. Jetzt weiß ich, wie wichtig es ist, in alle Richtungen zu gucken. Es gibt nicht nur eine Wahrheit."

Mehr Information unter www.hamburg.de/justizbehoerde und www.schoeffen-nord.de.