Pferdefleisch-Skandal erreicht Imbiss-Industrie. Die dreht den Spieß um und kritisiert: Fleischtaschen werden nicht gut integriert.

Hamburg. Ertan Celik ist ein ruhiger und bescheidener Mann, aber wenn es um den Döner geht, wird er emotional. Seit Montag hat er ein Problem. Mit Anrufen ging es los: "Döner? Nie wieder!", riefen die Menschen in die Telefonleitung. Dann kamen die Witze in den Dönerläden: "Ich hätte gerne einen Döner. Mit Pferdefleisch. Haha."

Celik fand das nicht lustig. Er ist nicht nur Hamburgs größter Dönerproduzent, er ist auch Hamburgs oberster Dönerlobbyist. Er musste etwas tun. Eine Botschaft an die Hamburger richten. Also ließ er eine Einladung zu einem Pressegespräch verschicken. "Wir lieben Pferde! Aber nur auf der Weide!", stand darin. Als Bühne für seine Botschaft wählte Celik ein Dönerlokal auf St. Pauli - in der Nähe des Neuen Pferdemarkts.

Als der Pferdefleisch-Skandal ausbrach, ahnte Celik: Bald sind wir wieder dran. Ein Berliner Institut untersuchte dann auch bald Dönerfleisch in Leipzig und Berlin - und entdeckte ein Prozent Pferdefleisch-Anteil. Jetzt steht wieder mal die Ehre des Döners auf dem Spiel. Doch das will Celik nicht zulassen.

"Guten Tag, herzlich willkommen", sagt Ertan Celik. Im Dönerlokal am Pferdemarkt brutzeln zwei Dönerspieße, würzig-fettiger Geruch wabert durch den Raum.

Celik hat hinter einer langen Tafel Platz genommen, vor ihm steht ein Namensschild mit dem Zusatz, dass er Vorsitzender von Qualitäts-Döner Hamburg e.V. ist. Vor vier Jahren hat er den Verein mit gegründet. Er vertritt 80 Prozent der Hamburger Dönerbranche. Sieben Dönerhersteller, 400 Dönergastronomiebetriebe gibt es in Hamburg mit 2500 Mitarbeitern.

Celik geht sofort zum Angriff über. Er erwähnt BSE, den Gammelfleisch-Skandal. Und immer war der Döner schuld - wie auch jetzt. Gab es denn eine Gegenprobe bei den entdeckten Pferdefleisch-Spuren in Berlin und Leipzig? Wohl nicht, vermutet Celik. Er hat eine Lebensmittelkontrolleurin mitgebracht, die ihm beipflichtet, dass eine einzige Probe "nicht signifikant genug" sei. Celik glaubt, dass es Vorurteile gegen den Döner gibt. "Weil man denkt: Wo türkischstämmige Menschen arbeiten, kann es nicht gut laufen." Er spricht von der Konkurrenz auf dem Lebensmittelmarkt, die nicht Platz machen wolle für die Dönerunternehmer. "Es gibt einige, die nicht wollen, dass der Döner sich hier integriert."

Ertan Celik ist 44, im Alter von zwölf Jahren kam er nach Deutschland, seine Familie stammt aus Ostanatolien. Vor 23 Jahren stieg er in den Familienimbiss Bol Kepce (großzügige Kelle) an der Susannenstraße mit ein. Das Geschäft lief gut, die Firma produzierte bald auch Dönerspieße für andere Gastronomen. Heute stellt Celik in seiner Fabrik im Fleischgroßmarkt 60.000 Portionen Dönerfleisch pro Tag her.

Celik spricht mittlerweile nicht mehr von Fleisch, Salat und Knobisoße, sondern von Integration. Davon, dass der Döner eigentlich das größte Geschenk der Einwanderer sei. Denn das Geburtsland des Döners ist Deutschland. In den 70er-Jahren, in Berlin, wurden Teigtaschen mit Fleisch und Joghurtsoße erstmals für zwei Mark verkauft. Döner gibt es mittlerweile auch in Shanghai, in San José in Costa Rica. Und woher kommt dieses Integrationsprodukt? Aus Deutschland. "Döner hat zum Kulturaustausch beigetragen", sagt Celik. Wildfremde Menschen trafen sich an den Dönerständen der Welt und lernten sich besser kennen. Es gab ein Lied "Ich bin ein Döner/ Döner macht schöner", sogar ein Theaterstück "Der letzte Döner". Wer als Politiker Integrationswillen zeigen will, geht Döner essen.

Und jetzt dieser blöde Pferdefleisch-Skandal. Ertan Celik sagt, dass er fünf Millionen Euro investiert habe für eine neue Dönerfabrik an der Schnackenburgallee. Er hat jetzt 60 Mitarbeiter - eigentlich will er noch 40 weitere einstellen. Beim letzten Gammelfleisch-Skandal sei sein Umsatz um 30 bis 40 Prozent eingebrochen. Alleine der Schockfroster, mit dem die fertig produzierten Dönerspieße gefroren werden, kostet eine Million.

Damals, nach dem letzten großen Gammelfleisch-Skandal, haben Celik und andere Dönerhersteller den Verein "Qualitäts-Döner Hamburg" gegründet. Mehr Transparenz, mehr Qualität wollten sie schaffen. Celik hat Mitarbeiter, die keine Ausbildung und manchmal gar keine Schulbildung haben. Er schickte sie zur Fortbildung, immer nach Dienstschluss, insgesamt acht Stunden die Woche, ein halbes Jahr lang. Das machen alle Mitglieder des Vereins mit ihren Mitarbeitern, auch diejenigen, die einen Imbiss haben. In den Fortbildungen wird erklärt, warum man nicht krank zur Arbeit erscheinen sollte. Warum man die Hände desinfizieren muss. Dass Tierhäute und Sehnen nicht ins Dönerfleisch gehören.

Celik bekommt sein Geflügelfleisch von einem Lieferanten aus Deutschland, das Kalbfleisch von zwei Betrieben aus den Niederlanden. Ein Dönerspieß besteht aus Scheibenfleisch und Hackfleisch. Weil man bei Hackfleisch nie so genau weiß, was drin ist, stellt Celik das Hackfleisch selbst her - aus Fleisch, das seine Mitarbeiter selbst vom Knochen auslösen.

Bis zu fünfmal in der Woche kommen Lebensmittelkontrolleure, die Proben entnehmen und diese dem Gesundheitsamt vorlegen. So viel Qualität kostet: Zwischen 3,90 und 4,30 Euro kostet ein guter Döner in Hamburg, sagt Celik. In anderen Städten gibt es die Fleischtaschen für 1,90 Euro. "Wo man so billig kauft, kann etwas nicht stimmen", findet er. Mehr Anstrengung geht nicht, findet er. Er ist enttäuscht, dass das Engagement nicht gewürdigt wird.

Zum Schluss stellt er sich an einen Dönerspieß und säbelt Fleisch herunter. Er verspricht: Einen Pferdefleisch-Skandal werde es im Hamburger Döner nicht geben. Schon aus einem Grund nicht: "Hamburg ist die schönste Stadt der Welt. Deshalb haben die Hamburger auch den besten Döner verdient."