Zweitgrößter Terminalbetreiber in der Stadt hat am Standort große Mengen an Ladung verloren. Verzögerte Elbvertiefung belastet.

Hamburg. Als Mitte Dezember die "Marco Polo" in Hamburg festmachte, war ihr die Aufmerksamkeit in der Hansestadt und darüber hinaus sicher. Der erste Anlauf des neuen weltgrößten Containerschiffs war für den Hafen ein starkes Signal. CMA CGM, die drittgrößte Linienreederei der Welt, unterstrich damit Hamburgs Bedeutung als wichtigster europäischer Zielhafen für die Fernostverkehre - gerade deshalb, weil der Vollzug der geplanten Vertiefung und Verbreiterung des Elbfahrwassers vom Bundesverwaltungsgericht im Oktober vorerst gestoppt worden war. Vor allem für Hamburgs größten Terminalbetreiber HHLA war die Abfertigung der riesigen "Marco Polo" eine willkommene Werbung.

Eurogate hingegen, der wichtigste Konkurrent der HHLA, blieb bei der Veranstaltung außen vor. An der Elbe ist es auffallend ruhig geworden um den europaweit agierenden Logistikkonzern mit Sitz in Hamburg und Bremen. Dabei wäre ein großer Teil der Ladung, den die "Marco Polo" mitbrachte, vor nicht langer Zeit auf dem Eurokai-Terminal von Eurogate gelandet, entladen von einem Linienschiff der Reederei MSC. Derzeit aber fährt CMA CGM in einer Gemeinschaftslinie mit MSC die Container an den Burchardkai. Eurogate verliert in Hamburg Ladung, die HHLA gewinnt sie hinzu.

Im vergangenen Jahr schlug das Eurogate-Terminal in Hamburg rund 1,8 Millionen Containereinheiten (TEU) um - das waren zwölf Prozent weniger als im Jahr 2011. Und es waren gut eine Million TEU weniger als 2007, im bislang stärksten Jahr des Hamburger Hafens. Innerhalb weniger Jahre sackte der Marktanteil von Eurogate in Hamburg von 30 auf 20 Prozent ab.

In der Hafenwirtschaft und in der städtischen Politik spekuliert man darüber, wie das geschehen konnte, während die Terminals des Unternehmens in Bremerhaven bestens dastehen. Für 2012 verbuchte Eurogate auf seinen Anlagen an der Weser gegenüber 2011 einen Zuwachs von 6,3 Prozent auf 6,3 Millionen TEU. In Wilhelmshaven betreibt Eurogate seit September zudem das neue Terminal des JadeWeserPorts.

Die Schwäche von Eurogate in Hamburg wirkt nun auch politisch. Das Unternehmen will sein Terminal nach der baldigen Vorlage der Planfeststellung kräftig ausbauen. Das Fundament für die sogenannte Westerweiterung muss die städtische Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) legen. Der Bau der Kaimauern und der Terminalfläche kostet rund 250 Millionen Euro. Wozu aber soll man ein derart aufwendiges Projekt starten, fragt die Opposition in der Bürgerschaft, da der Eurokai mit einer Gesamtkapazität von vier Millionen TEU nicht einmal zur Hälfte ausgelastet ist? "Es gibt derzeit weder einen Bedarf für die Westerweiterung, noch haben wir das Geld, diese zu bauen", sagt Anjes Tjarks, hafenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft. Er will das Thema bei der Bürgerschaftssitzung in der kommenden Woche zur Diskussion stellen: "Man muss einfach zu dem Schluss kommen: 250 Millionen Euro für weitere zwei Millionen TEU Umschlagkapazitäten sind aktuell schlicht rausgeworfenes Geld."

Stärkt Eurogate seinen wichtigsten Standort Bremerhaven auf Kosten von Hamburg? Verschreckt die Blockade der Elbvertiefung - bedingt durch Klagen gegen das Projekt - womöglich die Reedereien, die Kunden am Eurokai sind? Negative Signale kommen mittlerweile auch vom Hamburger Arbeitsmarkt. Der Gesamthafenbetrieb (GHB), eine Art Zeitarbeitsfirma, die von den Hafenunternehmen gemeinsam betrieben wird, schickt wegen des geringen Containerumschlags derzeit praktisch keine Leute mehr zum Eurokai. Früher wurden dort während Phasen hoher Auslastung mehrere Hundert GHB-Kräfte zur Verstärkung gebraucht. Nach Informationen des Abendblatts führen die GHB-Geschäftsführung und der Betriebsrat bereits Gespräche über Stellenkürzungen. Der GHB kommentiert das nicht. Klar ist aber: Andere Unternehmen können den massiven Bedarfsrückgang am Eurokai nicht ausgleichen. Und ein deutlicher Aufschwung beim Containerumschlag ist im laufenden Jahr nicht zu erwarten. Kehrt Eurogate Hamburg den Rücken?

Emanuel Schiffer widerspricht dieser Vermutung vehement. Der Co-Geschäftsführer von Eurogate, zuständig für das Deutschland-Geschäft, will die Erweiterung des Hamburger Terminals so bald wie möglich: "Wir stehen hundertprozentig zum Standort Hamburg und zur Westerweiterung", sagte er dem Abendblatt. "Zwischen 2000 und 2012 haben wir in Hamburg 540 Millionen Euro investiert, zuletzt unter anderem in den Bau eines eigenen Kombikraftwerks auf dem Terminal."

Die massiven Rückgänge in Hamburg hätten, so erklärt es Schiffer, mit den Zuwächsen in Bremerhaven nichts zu tun. Bremerhaven profitiere vor allem davon, dass die beiden wichtigsten Kunden von Eurogate, die Reedereien Mærsk und MSC, Ladung für Zubringerdienste aus den Häfen Antwerpen und Rotterdam an die Weser verlagert hätten. In Hamburg wiederum schlage der Gemeinschaftsdienst von CMA CGM und MSC bei Eurogate voll durch. "Ein Preiskampf mit der HHLA um diese Gemeinschaftsladung wäre sicher keine Alternative gewesen und hätte in Hamburg niemandem gedient", sagte Schiffer. "Die Vereinbarung von CMA CGM und MSC läuft für zwei Jahre, bis April 2014. Dann werden die Dienste neu verhandelt, und dann kann das Pendel am Eurokai ganz schnell zurückschlagen. Der Containerverkehr wird mit dem Welthandel langfristig weiter wachsen. Deshalb ist die Westerweiterung unverzichtbar. Neue Terminals baut man nicht in einigen Wochen."

Auch von der arabischen Reederei UASC habe man in Hamburg derzeit Ladung an die HHLA verloren. Der JadeWeserPort spiele mit Blick auf Hamburg keine Rolle: "Da haben wir im vergangenen Jahr 26.000 TEU umgeschlagen. Die befürchtete Konkurrenz kann das wohl kaum sein", sagte Schiffer.

Offenbar wirkt mittlerweile auch die Blockade der Elbvertiefung. Schiffer bestätigte, dass ein großer Kunde am Eurokai im vergangenen Jahr "zehn Mal" mit Behinderungen bei der Revierfahrt auf der Elbe zu kämpfen hatte. Er nannte den Namen der Reederei nicht. Nach Abendblatt-Informationen waren es Schiffe von China Shipping, die in Hamburg Ladung zurücklassen mussten, weil sie sonst zu tief gegangen wären. Ein Schiff musste zudem auf dem Weg von Großbritannien nach Hamburg kehrt machen, um weitere Ladung von Bord zu nehmen. Bei Ostwind und sehr niedrigem Wasserstand auf der Elbe wäre der Großfrachter sonst nicht nach Hamburg gekommen.

Immerhin: Der engagierteste Streiter für die Elbvertiefung ist der Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz, Generalbevollmächtigter von Eurogate.