SPD und FDP wollen einen Teil der Hindenburgstraße in Otto-Wels-Straße umbenennen. Grüne: “Kein Rückgrat.“

Winterhude. Es geht ihnen um einen "historischen Kontrapunkt". In der Debatte um die Umbenennung der Hindenburgstraße werden die Fraktionen von SPD und FDP in Hamburg-Nord diesen Donnerstag in der Bezirksversammlung vorschlagen, nur den durch den Stadtpark führenden Teil der Hindenburgstraße umzubenennen. Der Abschnitt vom Borgweg bis zum Jahnring soll zukünftig Otto-Wels-Straße heißen - in Erinnerung an die historische Reichstagsrede des SPD-Politikers Otto Wels gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933.

Die Grünen im Bezirk Nord hatten die Umbenennung der Hindenburgstraße und den Entzug der Ehrenbürgerschaft Hindenburgs, der als Reichspräsident am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte, beantragt. Dieser Plan war von SPD und FDP unterstützt worden, nur die CDU hat ihn abgelehnt. Der Senat jedoch, der die Entscheidung umsetzen muss, war skeptisch. Der neue Kompromissvorschlag ist nach Abendblatt-Informationen nun aber mit dem Senat und Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) abgesprochen.

"Gegen Hitlers präsidialen Steigbügelhalter Paul von Hindenburg wäre der parlamentarische Widerpart Wels der richtige und würdige historische Kontrapunkt", sagt Andreas Dressel. Der SPD-Fraktionsvorsitzende hat zusammen mit Thomas Domres, SPD-Chef in Hamburg-Nord, den Vorschlag entwickelt. "Wels ist bisher im Hamburger Straßenbild an keiner Stelle präsent, sodass sich zum 80. Jahrestag seiner historischen Reichstagsrede eine Benennung im örtlichen Hindenburg-Kontext anbietet", sagt Domres.

Dressel und Domres geht es um "Ergänzen statt Tilgen". "Das Eliminieren von Geschichte ist ahistorisch", sagt Dressel. "Hindenburg war ein Antidemokrat, der Hitler an die Macht gebracht hat, aber man muss ihn im Kontext seiner Zeit einordnen." Während es völlig richtig gewesen sei, Hitler und Göring 1945 "aufgrund der unerträglichen Dimension der Verbrechen der Nationalsozialisten" die Ehrenbürgerschaft zu entziehen, müsse man mit derartigen Bereinigungen ansonsten sehr vorsichtig umgehen. "Die richtigen Tilgungsentscheidungen gegen Hitler und Göring sollten nicht durch andere Tilgungen relativiert werden", sagt Dressel. Vor diesem Hintergrund spreche vieles dafür, Hindenburg die Ehrenbürgerschaft nicht nachträglich zu entziehen. Und auch eine vollständige Tilgung des Straßennamens wäre nicht die richtige Antwort.

Die SPD-Politiker wollen durch zusätzliche Plaketten und größere Hinweistafeln an der Kreuzung Jahnring/Hindenburgstraße die umstrittene Figur Hindenburg sowie den Reichstagsabgeordneten Otto Wels "kommentierend einordnen".

Außerdem setzen sie sich dafür ein, die Ehrenbürgerliste der Stadt unter hamburg.de nicht mehr wie bisher unkommentiert zu lassen. Zu Hindenburg findet sich dort bislang lediglich: "1917: Paul von Beneckendorff und von Hindenburg (1847-1934), Königlich preußischer General-Feldmarschall und späterer Reichspräsident. Dankbare Verehrung des siegreichen und ruhmgekrönten Feldherrn." Das ginge gar nicht, so Dressel: "Zur besseren Einordnung gehören zusätzliche Informationen. Wann wurde wer ernannt und wofür genau? Wie sind Ernennung und Anlass im Lichte neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu bewerten?"

Dass SPD und FDP im Bezirk nun von ihrer ursprünglichen Haltung abgerückt sind, kann Michael Werner-Boelz nicht nachvollziehen. Der Grünen-Chef in Nord hatte dafür plädiert, dass Hamburg Beispielen von Münster (hat 2012 den Hindenburgplatz in Schlossplatz umbenannt) und Stuttgart (hat 2010 Hindenburg die Ehrenbürgerschaft entzogen) folgen solle. "Dieser neue Vorschlag der Teilumbenennung ist leider nur der halbe Schritt und kein Zeichen von Rückgrat", sagt Werner-Boelz. "Er zeigt ja, dass die SPD Hindenburg nicht für ehrenwürdig hält, aber vor allem aus Angst vor den Anwohnern vor der gesamten Umbenennung der Straße zurückschreckt." Einerseits kritisiere man die historische Figur Hindenburg und lasse andererseits seinen Namen im Straßenbild der Stadt. Das sei genau wie "ein bisschen schwanger".

Domres sagt, dass es auch innerhalb der SPD-Fraktion sehr unterschiedliche Auffassungen bei der Hindenburg-Debatte gebe: "Aber wenn man die Historie löscht und nur die Schattenseiten tilgt, kann man aus der Geschichte auch nichts lernen."