Deutsche kaufen Waren für 27 Milliarden Euro im Internet. Auch Hamburger Anbieter profitieren. Doch die Margen geraten unter Druck.

Hamburg. Bequem auf der Couch im Internetshop stöbern, per Smartphone unterwegs noch rasch ein Bahnticket ordern oder sich am Computer ein Paar Schuhe bestellen und dann in die nächste Filiale in der Nähe liefern lassen: Angesicht von immer neuen Bestellwegen und Geräten ist der Boom des Onlinehandels in Deutschland ungebrochen.

Waren im Wert von 27,6 Milliarden Euro haben die Bundesbürger im vergangenen Jahr im Internet geordert - ein Plus von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. "Auch für 2013 steht der Onlinehandel unter einem günstigen Stern", sagte der Präsident des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels (bvh), Thomas Lipke, am Dienstag in Hamburg. Es sei damit zu rechnen, dass der E-Commerce im laufenden Jahr nochmals um gut 21 Prozent zulegen werde. Der gesamte interaktive Handel, also inklusive des klassischen Versandgeschäfts und Teleshopping, wuchs 2012 um 15,6 Prozent auf 39,3 Milliarden Euro und dürfte bis Ende 2013 um weitere elf Prozent auf 43,5 Milliarden Euro anschwellen.

Von diesem Trend profitiert auch die E-Commerce-Hochburg Hamburg, sitzen in der Stadt doch mit dem Versand- und Onlinehändler Otto, Modespezialisten wie Frontlineshop oder Internerbuchhändlern wie Ebook.de - früher Libri.de - einige der größten Unternehmen der Branche. Mehr als fünf Milliarden Euro werden nach Angaben des Netzwerks Hamburg@work allein von den Firmen aus der Hansestadt umgesetzt. Damit liegt die Elbmetropole mit weitem Abstand vor anderen deutschen Städten wie Nürnberg, Frankfurt oder Berlin und europaweit auf Rang vier hinter Luxemburg - dem Sitz von Amazon -, London und Paris.

Getragen wird der Boom vor allem von den sogenannten Internet-Pure-Playern, also Unternehmen wie Amazon oder Zalando, die sich ausschließlich auf das Online-Geschäft konzentrieren. Darüber hinaus beobachtet der Verband, dass sich immer mehr kleinere Ebay-Händler von der Plattform lösen und eigene Webshops starten. Zudem steigen immer mehr klassische Einzelhändler in den Onlinehandel ein und betreiben den Internetverkauf zusätzlich zu ihren stationären Läden.

Gekauft wird im Netz vor allem Bekleidung, gefolgt von Unterhaltungselektronik, Computern und Büchern. An dieser Reihenfolge hat sich in den vergangenen Jahren wenig verändert. Stark im Kommen ist allerdings der Online-Möbelhandel, auf den sich immer mehr Start-ups spezialisieren. Auch der Verkauf von Haushaltswaren hat überproportional zulegt. Nur Lebensmittel bestellen die Deutschen nach wie vor kaum im Netz. Hier steckt das Geschäft im Vergleich zu anderen Bereichen weitgehend in den Kinderschuhen. Bei den Dienstleistungen bestellen die Bundesbürger vor allem Bahn- und Flugtickets sowie Reisen im Netz, hier zeigte sich im vergangenen Jahr auch die verbesserte Konjunktur in der Tourismusbranche. Immer wichtiger wird auch das Geschäft mit Konzert-, Theater und Kinokarten.

Die Flut der neuen Anbieter und die starke Transparenz durch Vergleichsportale und Preissuchmaschinen bedeutet allerdings auch, dass der Konkurrenzkampf im Netz immer härter wird. Die Gewinne können mit den steigenden Umsätzen in der Branche bei Weitem nicht Schritt halten. "Wir beobachten einen deutlichen Margenverfall in vielen Bereichen des E-Commerce ", räumt bvh-Präsident Lipke ein. Preisgetriebene Geschäftsmodelle hätten einen immer größeren Einfluss im Onlinehandel, während Qualität und Originalität dabei auf der Strecke blieben.

Den Druck bekommt derzeit unter anderem auch der Hamburger Otto-Konzern zu spüren, der gerade dabei ist, seine Kosten im deutschen Versandgeschäft zu reduzieren, um gegen Konkurrenten wie Amazon besser gewappnet zu sein. Die Umstrukturierungen werden voraussichtlich mehrere Hundert Arbeitplätze kosten.

Eine große Herausforderung für die Händler stellt zudem das sogenannte Channelhopping dar. Die Loyalität der Kunden zu einem Anbieter ist gering, stattdessen springen sie von einem Verkaufskanal zum nächsten. Da scannen Verbraucher die Barcodes von Produkten in einem Geschäft mit dem Smartphone ein und werden umgehend zu einem günstigeren Angebot der Konkurrenz geleitet. Oder Freunde in sozialen Netzwerken machen einen Kunden auf eine interessante Jacke oder neues Handy aufmerksam, und dieser sucht dann im Netz nach dem günstigsten Anbieter. "Die Händler müssen erst noch lernen, diese Wechsellaunen der Verbraucher zu begreifen und sie in ihre Geschäftsmodelle einzubeziehen", sagt Lipke.