Barmbeker Schüler begaben sich auf Spurensuche nach jüdischer Geschichte in Hamburg. Das Ergebnis steht jetzt im Internet

Barmbek. Wo finden wir Spuren jüdischer Geschichte in unserem Stadtteil? Das wollten die Neuntklässler der Barmbeker Franz-von-Assisi-Schule wissen und begaben sich während einer Projektwoche auf Spurensuche - ausgestattet mit iPads, Video- und Fotokameras. Sie forschten in Archiven und Museen, setzten sich mit den Bertinis auseinander und mit Heinrich Heine, befragten Zeitzeugen und einen Rabbiner. Was sie zusammengetragen haben, steht ab Montag online - auf dem "Geschichtomat", einem digitalen Stadtplan, mit dem sich künftig jeder auf die Suche nach jüdischen Spuren in Barmbek begeben kann (www.geschichtomat.de).

Initiiert wurde das Projekt vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGDJ) und dem Atelier für Gesellschaftsgestaltung. "Ziel ist es, die häufig opfergeprägte Perspektive auf die jüdische Geschichte zu durchbrechen und neue Aspekte in den Fokus zu rücken", sagt Projektleiterin Ivana Scharf. Besonders junge Menschen wüssten kaum noch etwas über die Vielfalt der jüdischen Kultur, die es früher in Hamburg gab. Der Geschichtomat ermögliche es ihnen, sich dem Thema zeitgemäß zu nähern.

Tatsächlich sind die Neuntklässler zu kleinen Experten geworden - das zeigte die Abschlusspräsentation am Freitag. Timo und Vishtasb haben sich mit Fotoapparat und Aufnahmegerät auf die Spuren von Eugen Fraenkel gemacht, einem jüdischen Mediziner und Namensgeber einer Barmbeker Schule. "Wir kennen viele, die dort zur Schule gehen, deshalb hat er uns interessiert", sagen die beiden. Sie informierten sich im Internet über das Leben des Bakteriologen und Pathologen. "Er war am UKE tätig, hat das Gasbrand-Bazillus entdeckt und war auch an der Entdeckung der Cholera beteiligt", weiß Vishtasb jetzt. Einige aus der Fraenkel-Gruppe fuhren ins UKE, um sich dort zu informieren, er und Timo besuchten die Stadtteilschule an der Fraenkelstraße, machten Fotos und zeichneten ein Gespräch mit Abteilungsleiter Björn Lengwenus auf. "Dann haben wir die Fotos über die Tonspur gelegt", sagt Timo fachmännisch.

Unterstützt wurden die Schüler dabei von Mitarbeitern des Geschichtomat-Projektteams. Herausgekommen sind viele Berichte, die sich auf dem digitalen Stadtplan unter blauen Buttons verstecken. Chiaras etwa liegt dort, wo sich das Museum der Arbeit befindet. Dort hat sie Norma von Walden interviewt, die Enkelin von Max Cohn. "Cohn war ein Baugenossenschaftler", sagt die Schülerin. "Ihm wurde gekündigt, weil er Jude war. Deshalb konnte er sich die Medikamente, die er als Diabetiker benötigte, nicht mehr kaufen und starb."

Svenja beschäftigte sich mit Heinrich Heine. "Er war Demokrat, Schriftsteller, Journalist und Dichter", weiß sie. Sie erfuhr, dass es früher ein Heine-Denkmal im Stadtpark gegeben hat, das von den Nazis eingeschmolzen wurde, und dass später ein neues auf dem Rathausmarkt errichtet wurde. Michelle hat mit einer Mitschülerin Landesrabbiner Shlomo Bistritzky interviewt. In dem Gespräch habe sie viel Wichtiges erfahren, sagt die 14-Jährige. Etwa dass in Hamburg rund 8000 Juden leben und dass Frauen und Männer nicht gemeinsam zum Gottesdienst gehen.

Gertrud Woermann, Schulleiterin der Franz-von-Assisi-Schule, freut sich über das Projekt. "Ich bin begeistert von dem Engagement der Jugendlichen, ihrem Ideenreichtum und der Medienkompetenz." Auch Projektleiterin Ivana Scharf ist sehr zufrieden. "Die Schüler haben viele Geschichten gefunden", sagt sie. Nicht nur Barmbek, die ganze Stadt stecke voll davon.