Volksmusik ist nicht mehr Volksmusik. Heino hat es mittlerweile auch begriffen, Hansi Hinterseer noch nicht

Das Leben ist eine Spielshow, und die heißt "Glücksrad". Mal geht es mit Schwung zum Gewinn, mal gibt es nicht einmal einen Trostpreis. Hansi Hinterseer, 59, aus Kitzbühel kennt das schon zur Genüge. Bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck zum Beispiel zählte er im Slalom und Riesenslalom zu den Medaillenkandidaten, aber er hatte Pech.

Glück hatte der blonde Hansi 1993, als er vom Produzenten-Guru Jack White zum Volksmusik-Entertainer aufgebaut wurde. Für einen Spätzünder - Hinterseer war schon fast 40 Jahre alt - legte der damalige Newcomer eine beeindruckende Karriere hin. Seine Alben wie "Wenn man sich lieb hat" (1995) oder "Ich hab dich einfach lieb" (2010) verkauften sich hervorragend, sogar in Dänemark eroberte er 2010 die Spitze der Albumcharts. Kein Wunder, dass er noch vor einem Jahr mit seiner aktuellen CD "Im siebten Himmel" war.

Dazu kamen von 2000 an acht Heimatfilme aus der "Da wo ..."-Reihe. "Da wo die Berge sind", "Da wo die Heimat ist", "Da wo wir zu Hause sind". Und Hansi musste sich nur selber spielen. Nett, charmant, immer lächelnd unter der Frisur, die seit Jahren lang und hell im Wind weht.

Hansi hat sich nie verändert - aber die Welt um ihn herum. "Es gibt Leute, die die Musik nicht mehr zeitgemäß finden. Die wollen lieber mehr Action, Kochsendungen und Talkshows", erzählte er der "Süddeutschen Zeitung". Und so wurde kürzlich sein seit 18 Jahren laufender Vertrag mit ARD und ORF für TV-Shows wie "Hansi Hinterseer" oder "Servus, Hansi Hinterseer" nicht verlängert. Die Sendung vor einer Woche war die letzte. Drei bis vier Millionen Zuschauer reichen nicht mehr. Die junge Generation um Florian Silbereisen und Helene Fischer erreicht zwar auch "nur" um die sechs Millionen Zuschauer, wirkt aber frischer und dynamischer als Hinterseers ewig gleiche Alpenpanoramen.

Dabei kann man sich ein moderneres Image verpassen, ohne sich zu verleugnen. So wie Heino. Über 50 Millionen Tonträger hat der 74-jährige Volksbarde aus Düsseldorf seit 1966 abgesetzt, aber in den Top Ten der Albumcharts war er seit "Lieder der Berge" (1980) nicht mehr. Trotz seines "Enzian"-Raps 1988 wirkte er wie ein Relikt aus Zeiten, als noch die erste Strophe des Deutschlandlieds vor schweren Möbeln (Deutsche Eiche, mundgebissen) geschmettert wurde. Deutsche Weihnacht und festliche Lieder und kein schöner Land in dieser Zeit. Karamba, karacho, man brauchte schon viel Whisky, um das zu ertragen.

Heino hat sich nie verändert. Aber die Welt um ihn herum. Seit zwei Wochen ist er das heiße Musikthema schlechthin, weil er auf seinem neuen Album "Mit freundlichen Grüßen" Songs von den Ärzten, Rammstein und Peter Fox trällert. Das klingt auf CD zwar luftarm produziert, aber live mit Band wie vor einigen Tagen beim NDR haben seine Interpretationen von "Sonne" oder "Junge" durchaus Schwung.

Das alte Erfolgsrezept, möglichst genrefremde Songs zu covern, hatten schon Pat Boone und Paul Anka perfektioniert. Auch eine Country-Ikone, die aber nicht mit Heino in einem Text genannt werden soll, erlebte so ihren dritten Frühling (Tipp: Wir meinen nicht Gunter Gabriel). Dabei macht Heino das Gleiche wie immer: Volksmusik singen. Denn wenn man Volksmusik als Zustand und nicht als Genre versteht, dann sind "Liebes Lied" und "MfG" Songs, die aus dem Volk kommen. Geschrieben und gesungen von den Menschen, die hier leben, die ihre jeweiligen Herkünfte, Erlebnisse, Gefühle und Ansichten in Liedern erzählen. Das ist authentisch im Gegensatz zu den industriell gefertigten Texten und Kompositionen, die Produzenten an volkstümliche Schlagerstars ausschütten.

In die herkömmlichen Top 20 der Albumcharts hat es Heino übrigens (noch) nicht geschafft. Da regieren noch Matthias Reim und Andrea Berg. Aber in den Downloadcharts ist er an der Spitze. Heino macht sich zukunftsfähig. Auch wenn er nicht in Wacken auftreten darf: Für ein Konzert im Rockschuppen Große Freiheit 36 im April reicht es. Schade, dass es das "Hansi Hinterseer Open Air" nicht mehr gibt.