Bergedorf mit der höchsten Quote, während im Bezirk Eimsbüttel die wenigsten Menschen mit Finanzproblemen wohnen. Beratungen stark gefragt.

Hamburg. Die Zahlen sind alarmierend. Nach einer Studie der Wirtschaftsauskunftei Bürgel sind allein in Hamburg 168.256 Erwachsene überschuldet. Das bedeutet, dass sie keine Rechnungen mehr begleichen können. Bundesweit sind es sogar 6.672.183 Personen und damit 2,7 Prozent mehr als 2011. Mit einer Schuldnerquote von elf Prozent aller erwachsenen Einwohner liegt die Hansestadt hinter Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen an fünfter Stelle der Bundesländer mit zahlungsunfähigen Bürgern.

"Die drei wichtigsten Indikatoren für eine Überschuldung sind bei Privatpersonen erstens die Haftanordnung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, zweitens die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung selbst und drittens die Verbraucherinsolvenz", sagt Bürgel-Geschäftsführer Norbert Sellin. Tendenziell überschulden sich eher Männer als Frauen. 56,3 Prozent der überschuldeten Bundesbürger sind männlich.

In Hamburg führt der Bezirk Bergedorf mit einer Quote von 16,5 Prozent die Negativliste der Überschuldeten an. 17.451 Bergedorfer können ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen. Obwohl in Wandsbek 34.244 Menschen pleite sind, liegt dort die Quote mit 10,3 Prozent niedriger - weil in dem Bezirk mehr Menschen leben als in Bergedorf. Am wenigsten Zahlungsunfähige gibt es mit 14.654 Personen im Bezirk Eimsbüttel. Die Schuldnerquote liegt dort bei 6,4 Prozent (siehe Grafik).

Oft handelt es sich bei den Schulden um vierstellige Beträge, die nicht getilgt werden können. "In die Schuldenfalle können auch junge Menschen geraten, die teure Handyverträge abschließen oder sich im Internet Musik herunterladen, ohne darüber nachzudenken, was das kostet", sagt Heike Baumann von der Schuldnerberatung Hamburger Arbeit-Beschäftigungsgesellschaft (HAB). Der Andrang von Betroffenen bei den Beratungsstellen in der Stadt ist groß - und hat Folgen. "Momentan haben wir eine Wartezeit von fünf Monaten", sagt Baumann. Der Schuldner muss sich gedulden. Obwohl es in der Stadt mindestens 17 Beratungsstellen gibt, sei diese Zeitspanne nicht ungewöhnlich. Kommt ein Termin zustande, dann gehen die Berater unter anderem gemeinsam mit dem Klienten seine finanzielle Situation durch und versuchen mit den Banken und anderen Gläubigern einen Nachlass bei den Forderungen zu vereinbaren. "Auffällig ist insbesondere die Situation der 21- bis 30-Jährigen. Mit einer Quote von 17,7 Prozent sind sie in Deutschland am stärksten von der Überschuldung betroffen", so Sellin. Sie haben noch wenig Erfahrung im Ungang mit Geld. Zusammen mit der Gruppe der 18- bis 20-Jährigen machen sie 28,5 Prozent aller Überschuldeten in Deutschland aus. Aber auch bei den 31- bis 40-Jährigen ist die Quote mit 17,6 Prozent hoch. Ab 51 Jahren sinke hingegen das Risiko.

Das Leihen von Geld ist laut Bürgel bei einem Großteil der Bevölkerung längst zur Normalität geworden, um etwa Immobilen und Konsumgüter wie einen Fernseher oder ein neues Sofa zu kaufen. Null-Prozent-Finanzierungen des Handels lockten die Verbraucher, ihre Ausgaben zu erhöhen. Dass danach jeden Monat Ratenzahlungen anfallen, vergessen sie offenbar beim Einkauf. "Das ist so lange unproblematisch, wie die Verbraucher ihre Zahlungsverpflichtungen sowie die fälligen Ausgaben zur Sicherung des Lebensunterhalts bestreiten können", sagt Sellin. "Falls das Einkommen nicht dazu ausreicht, die Schulden fristgerecht über einen längeren Zeitraum zu tilgen, gilt der Betroffene als überschuldet."

Privatpersonen haben vor allem bei Kreditinstituten, Versandhändlern, Versicherungen, Behörden, Vermietern, Energieversorgern und Telefongesellschaften Schulden. Aktuell führt die niedrige Arbeitslosigkeit in Deutschland allerdings dazu, dass nicht noch mehr Verbraucher überschuldet sind. Denn keine geregelte Vollzeitarbeit und die Beschäftigung in Niedriglohnsektoren sind die Hauptgründe für Überschuldung. Die Betroffenen haben kaum Chancen, ihr Einkommen zu erhöhen. Doch auch zahlreiche persönliche Gründe wie Scheidung, Krankheiten, eine gescheiterte Selbstständigkeit oder gestiegene Raten bei der Immobilienfinanzierung können dazu führen, dass sich ein Verbraucher zunächst überschuldet - und danach eine Privatinsolvenz anmelden muss.