Zentrum für “Disability Studies“ mehrfach für Inklusion ausgezeichnet. Letzte Hoffnung der Mitarbeiter ist die Evangelische Hochschule.

Hamburg. Die sieben Mitarbeiter des Zentrums für Disability Studies (Studien über Behinderungen) an der Uni Hamburg haben Angst um ihren Job. Im Februar endet die Finanzierung ihrer Einrichtung, das Geld kam aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds ESF und der Wissenschaftsbehörde. Die Behörde hatte die Universität im vergangenen November dazu aufgefordert, bekannt zu geben, ob sie das ZeDiS nach Ende der öffentlichen Förderung in ihre Regelfinanzierung aufnimmt (das Abendblatt berichtete).

Aus einer achtseitigen Bewertung geht jetzt die Antwort der Uni hervor: Nein. "Die Universität Hamburg sieht sich bei aller Wertschätzung des auch von ZeDiS vertretenen Anliegens, die Integration von Behinderten zu fördern, nicht in der Lage, diese bisher aus Drittmitteln finanzierte Einrichtung in eine dauerhafte Finanzierung aus Haushaltsmitteln der Universität zu übernehmen", heißt es in dem Dokument, das dem Abendblatt vorliegt.

Das ZeDiS wollte die Inklusion (wörtlich übersetzt: Einschluss) behinderter Menschen in Hamburg voranbringen. Eine zentrale Rolle spielt in dem Zentrum die Perspektive der behinderten Menschen. Sechs der sieben Mitarbeiter am ZeDiS sind behindert. An der Uni Hamburg verfolgten sie einen wissenschaftlichen Ansatz, der aus den USA und Großbritannien kommt: Nicht die Menschen sind behindert. Sondern die Menschen werden behindert durch die Bedingungen, die sie umgeben. Die Mitarbeiter versuchten herauszufinden, wie man diese Bedingungen so verändert, dass Barrieren beseitigt werden, auch in den Köpfen.

53 Lehrveranstaltungen organisierten sie in der Zeit von 2006 bis 2012, dazu 14 Ringvorlesungen, die nicht nur Studenten, sondern auch allen Interessierten offen standen. Zusammen mit Architekturstudenten der HafenCity Universität entwickelten sie ein "Lehrhaus für alle" - eine Begegnungsstätte für Nichtbehinderte und Behinderte.

Die Arbeit des ZeDiS wurde 2009 vom Hamburger Senat mit dem Senator-Neumann-Preis ausgezeichnet - "für besondere Verdienste um die Integration von Menschen mit Behinderungen". Auch das Paul-Ehrlich-Institut prämierte das ZeDiS mit dem Integrationspreis "Wissenschaft ohne Barrieren". Die Bundesregierung nahm das Zentrum in die "Landkarte der inklusiven Beispiele" auf.

Doch all dies reicht offenbar nicht für eine Finanzierung durch die Universtität. In dem Schreiben der Uni steht, dass es einen Streit zwischen ZeDiS-Mitarbeitern und Mitarbeitern aus dem Bereich der Behindertenpädagogik gegeben habe. Dass die "wissenschaftliche Produktivität" bescheiden sei. "Zudem vertritt das ZeDiS eine Wissenschaftsauffassung, die von Kolleginnen und Kollegen, insbesondere aus der Behindertenpädagogik, als problematisch betrachtet wird."

War's das? Zumindest noch nicht im Februar, wenn die Förderperiode endet. Die Wissenschaftsbehörde, Sozialbehörde und auch die Universität gewähren dem ZeDiS bis zum Ende des Jahres eine "Auslauffinanzierung" in Höhe von 100.000 Euro. Der Anteil der Uni Hamburg soll 10.000 Euro betragen, heißt es. Die Sprecherin der Universität erklärt hierzu: "Das Präsidium der Universität Hamburg hat keine neue das ZeDiS betreffende Entscheidung getroffen. Es wird sich zu gegebener Zeit mit der Sache befassen."

Für die Zeit nach Ende der Förderung gibt es noch Hoffnung für die Mitarbeiter des ZeDiS: Die Wissenschaftsbehörde hat bei den anderen Hochschulen Hamburgs angefragt, ob ein Studiengang "Disability Studies" dort möglich ist. Die Evangelische Hochschule für soziale Arbeit und Diakonie hat Interesse signalisiert. Deren Rektor Andreas Theurich hatte schon im Dezember einen solidarischen Brief an die Behörde geschrieben, in dem er für ein Fortbestehen des ZeDiS warb. Jetzt prüft die Hochschule, ob der Studiengang in Horn eingerichtet werden kann. "Es gibt den Willen, etwas zu planen", sagte Theurich dem Abendblatt. Ein Studiengang ließe sich gut mit dem Schwerpunkt "soziale Arbeit" verknüpfen. Mitarbeiter des ZeDiS könnten übernommen werden. Innerhalb von sechs Monaten soll es eine Entscheidung geben.

Gerlinde Renzelberg, die Projektleiterin des ZeDiS, ist nun sehr froh, dass sie das Zentrum im Februar nicht dichtmachen muss. Die Evangelische Hochschule sei eine "riesengroße Chance". "Ich habe das Gefühl, jemanden gefunden zu haben, der uns wirklich will."