Auf dem Flohmarkt Tausendschön wechseln Pumps und Porzellan die Besitzerin. Doch auch Herren dürfen dort einkaufen.

Hamburg. Wie wär's mit pinkfarbenen Pumps? Ein paar Mal getragen, aber wie neu. Mit Gummistiefeln im Leopardenlook, einer fliederfarbenen Handtasche oder reizenden Spitzendessous? Oder mit einem Hauch von Kleid aus bordeauxrotem Satin - für Männerhände viel zu schick?

Beim Frauenflohmarkt im Kulturhaus Eppendorf an der Martinistraße ist es zwar nicht so, dass die Herrschaften partout vor der Tür bleiben müssen, aber hinter den Verkaufstischen haben sie nichts zu suchen; denn an vier Wochenenden im Jahr geben Damen den Ton an. Der Name des bunten Basars ist Programm: Tausendschön.

Autozubehör, Werkzeuge, Boxhandschuhe, HSV-Utensilien oder Kreissägen sind nicht im Angebot. Auch Herrenkleidung, Kindersachen oder Spielzeug sollen ganz bewusst nicht feilgeboten werden. Entsprechend ist das Publikum. Frauenquote: 90 Prozent. Gefühlt. Die Damen können knallhart um Preise pokern, keine Frage, dennoch ist der Ton verbindlicher und fröhlicher als bei vergleichbaren Veranstaltungen mit feilschendem Charakter. Mancher der rund 50 Anbieterinnen an den 30 Ständen fällt es sichtlich schwer, sich von gebrauchten Lieblingsstücken zu trennen. So wie Nicole Oettchen aus Norderstedt, die neben den pinkfarbenen Pumps einen Ring vom Ex an die Frau bringen will.

Nicole hat sich mit Freundin Susanne Beck aus Barmbek zusammengetan, um gemeinsam Geschäftserfolge zu genießen. Das Duo hat zwei Standmeter à 15,50 Euro gebucht und diese Investition schon nach zwei Stunden erwirtschaftet. "Mein schwarzes Kleid brachte 20 Euro", verrät sie. Und das war erst der Anfang. Weitere Klamotten - alle nicht neu, aber gut in Schuss - wechseln ebenso wie Handtaschen, Schmuckstücke und ein bisschen Hausrat die Besitzerin. Auch ein Joghurtbereiter sowie ein Eierkocher sind dabei. Am Schluss machen beide getrennte Kasse. "Vom Gewinn geht's mit meinem Mann zum Italiener", sagt Frau Oettchen.

Leben und leben lassen. Davon scheint Frau eine Menge zu verstehen. An mehreren Ständen trägt ein Gläschen Prosecco zur exquisiten Handelslaune bei. Ein munteres Trio hat drei Piccolo gebunkert. Susann Gutsche, Marili Nöfer und Susanne Radmann, seit Jahrzehnten Freundinnen, machen trotz separater Portemonnaies gemeinsame Sache. Ein Teil des Erlöses fließt in einen Segelurlaub in Holland im Herbst. Besonders großzügig: Die drei Angetrauten dürfen mitkommen.

Und was macht den Reiz eines Frauenflohmarktes aus? "Hier hat man ein Dach überm Kopf und ist unter sich", sagt Marili. "Die Atmosphäre ist speziell, pfiffig und entspannt." Mitstreiterin Susann ergänzt: "Unter Frauen ist es einfach netter." Vereinzelt herumstreunende Männer werden charmant bedient. Doch sind Susanns Leopardengummischuhe, die Ohrringe oder das rote Satinkleidchen eher ein Fall für Frauen. Den Rest spenden die drei Damen an die Kleiderkammer oder die Kemenate, eine Hilfsaktion für obdachlose Frauen. Vor ein paar Jahren rief Ehemann Peter einen Männerflohmarkt ins Leben, doch lief die Sache nicht. "Offensichtlich ist der Baumarkt für Jungs ein sichereres Terrain", sagt Organisatorin Renate Messing.

Um Missverständnisse im Keim zu ersticken, stellt sie klar: "Ich mag Männer!" Die Idee zu Hamburgs erstem Frauenflohmarkt kam ihr vor gut 13 Jahren: Im Oktober 1999 ging Tausendschön an den Start. Seitdem ist Handeln im Kulturhaus viermal jährlich Frauensache. Die Märkte sind regelmäßig ausgebucht und gut besucht. Der Fairness halber werden die Verkaufsstände jeweils nur für einen Tag vergeben, sodass sonnabends und sonntags vollkommen unterschiedliche Angebote bestehen. Am zweiten März-Wochenende geht das Vergnügen von neuem los.

Doch um den Verkauf geht es nicht allein. Dahinter steckt ein tieferer Sinn. "Sich auf dem Flohmarkt von Überflüssigem zu trennen und Raum für Neues zu schaffen, das befreit", formuliert Renate Messing mit Bedacht. "Entrümpeln ist ein Stück Gesundheit." Es erleichtere. So und so. Motto: Wandel-Lust. Doch damit genug zur Theorie; es lebe die feminin anmutende Praxis.

Frau Messing, eine lebenslustige, kreative Frau mit Hauptberuf Heilpraktikerin, ordert im Bistro inmitten des 1988 ursprünglich in einem Bauwagen im Eppendorfer Park gegenüber gegründeten Kulturhauses zwei Kaffee. Die Bedienung ist männlich. Erstaunlich. Jürgen und Dietmar erfreuen sich in der merkantilen Damenwelt enormer Beliebtheit. Ausnahmsweise, im wahrsten Sinn des Wortes. Selbst gebackener Apfelkuchen, Kalter Hund und Torte mit Zitronen-Quark-Sahne-Creme gehen ebenso gut wie die hausgemachte Karotten-Ingwer-Suppe.

Bob Marley ist zu hören, mit jazziger Note. Die Preise sind fair, Etikettierungen tabu. Es soll kommuniziert werden. Auch diese Rechnung geht auf. Lebendiger Klönschnack erfüllt die sechs Räume. Böse Zungen würden dazu Schnattern sagen. Plötzlich springt Frau Messing auf: Die Arbeit ruft. Anlass, im Alleingang auf Pirsch zu gehen. In Raum drei überlegt sich Anette Meissner, ob sie ihren Perlmuttarmreif aus Studententagen nicht doch lieber behalten soll. Sind zwei Euro den Trennungsschmerz wert? Neben gepflegter Secondhand-Kleidung offeriert sie Seite an Seite mit Standpartnerin Silke zudem einen DVD-Player für 15 Euro und eine Saftpresse.

In der Nachbarschaft herrscht gleichfalls wuseliges Treiben. Mit femininem Hintergrund. Tausendschön. Dazu zählen hübsch gestaltete Accessoires, Porzellan, Vasen, Modemagazine, Nähgarne, Schals, Unterwäsche mit Spitzenbesatz, Rezepte aus Omas Küche, entzückende Schmuckschatullen. "Der Teufel trägt Prada" heißt ein Buch, "Sissi" ein anderes. Und natürlich darf "Sex and the City" nicht fehlen.

Hinter einem Stand im Flur neben dem Bistro hängen zwei weiße Brautkleider. Die eigenen? "Nein!", entgegnet die Verkäuferin und schiebt hinterher: "Von einer Freundin. Garantiert nur einmal getragen." Auch davon kann Mann nur träumen.