Der Mann hat eine 65-Jährige missbraucht. Er ist ein Serientäter. Trotzdem ließ der Richter ihn zunächst laufen

Ottensen. Drei Tage nach der Vergewaltigung einer 65-Jährigen auf dem Ottenser Friedhof und der ersten Festnahme eines Verdächtigen hat die Polizei den Mann offenbar endgültig als Täter überführt. Noch am Dienstag hatte ein Haftrichter die Dringlichkeit des Tatverdachtes abgelehnt. Seit dem späten Donnerstagabend aber sitzt Mark S. wieder in Haft. Jetzt stellt sich heraus: Der 35-Jährige ist ein Serienvergewaltiger, der erst zehn Tage vor der Tat an der Rentnerin aus einer zwölfjährigen Haft entlassen worden war.

Die Tat in der Nacht zu Dienstag war ebenso brutal wie schockierend: Am Grab ihres verstorbenen Mannes, das sie auf dem Heimweg von einem Theaterbesuch kurz besucht hatte, war die 65-Jährige von dem Maskierten niedergeschlagen und missbraucht worden. Der Täter bedrohte sein Opfer mit einem Messer, raubte schließlich ihr Bargeld und flüchtete. Die 65-Jährige schleppte sich mit Verletzungen im Gesicht nach Hause, rief die Polizei. Die hatte schnell einen Verdacht. Denn: Zehn Tage vor der Tat hatte ein Straftäter die Haftanstalt nach Verbüßung seiner kompletten zwölfjährigen Freiheitsstrafe verlassen, dessen frühere Taten sich stets nach einem ähnlichen Muster abgespielt hatten - und dessen Wohnanschrift sich damals wie jetzt in Ottensen befand. Der Täter: Mark S., ein Mann, der schon als Jugendlicher immer wieder Straftaten begangen hatte. Anfang 2001 verurteilte ihn eine Kammer des Landgerichtes zunächst zu sechs Jahren Haft. Er war in einem Hinterhof an der Zeißstraße gefasst worden, nachdem er eine damals 44-Jährige vor ihrer Haustür beraubt, schwer missbraucht und mit einem Messer verletzt hatte. Die Tat hatte vor allem deshalb lange für Aufsehen gesorgt, weil der Vermieter des Opfers, der Kirchenkreis Altona, der 44-Jährigen drei Tage darauf die Wohnung kündigte und dies unter anderem mit der Lärmbelästigung in der Tatnacht und Blutflecken im Treppenhaus begründet hatte.

Als Mark S. wegen der Vergewaltigung in der Zeißstraße in Haft saß, stellte sich heraus, dass er bereits zuvor zahlreiche ähnliche Taten begangen hatte. Ein Abgleich seiner DNA mit der Spurendatei im Landeskriminalamt ergab Zusammenhänge zu vier weiteren Vergewaltigungen im Sommer 2000: Eine 30-Jährige überfiel S. in einer Ottenser Tiefgarage. Auch sie wurde mit einem Messer bedroht, missbraucht und beraubt. Wenig später wurde eine 23-Jährige auf St. Pauli zum Opfer, eine 41-Jährige in ihrer Wohnung in Altona und eine 30 Jahre alte Frau, wieder in Ottensen.

Am 17. Januar 2003 verurteilte ihn das Landgericht wegen der Tatserie zu weiteren sechs Jahren Haft. Über die Verhängung einer Sicherungsverwahrung wurde in dem Urteil offenbar nicht nachgedacht. "Der Verdächtige hat die Haft nach voller Verbüßung Mitte Januar 2013 verlassen, stand unter Führungsaufsicht", sagt Staatsanwaltschafts-Sprecherin Nana Frombach.

Zehn Tage nach der Entlassung nun die Tat auf dem Friedhof. Faser- und DNA-Spuren belegen seine Täterschaft. Bei der zweiten Vernehmung gestand Mark S., konfrontiert mit der erdrückenden Beweislast, der Gesuchte zu sein. In der Tatnacht hatte er noch zu den Vorwürfen geschwiegen. Obwohl die Staatsanwaltschaft noch am frühen Dienstagmorgen beantragt hatte, den Verdächtigen in Untersuchungshaft zu nehmen, entschied sich der zuständige Haftrichter dagegen. Es gäbe zu wenig stichhaltige Belege für dessen Täterschaft, beschied der Richter.

Das Opfer befindet sich in ärztlicher und psychologischer Betreuung.